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Ein halbes Jahrhundert SIESC

Von Yves Calais


0 Man kann ein halbes Jahrhundert nicht auf ein paar Seiten erzählen. Zahlreiche Probleme und Herausforderungen haben diese Jahre gekennzeichnet. Wir haben sie im SIESC erlebt, ziemlich pragmatisch, ohne die Sorge zu haben, dafür die Theorie zu entwerfen, und auch ohne etwas in Händen zu haben, um ihre Geschichte zu schreiben: die Dokumente wurden ja regelmäßig in der Bibliothek der Universität Nimwegen hinterlegt. Ich werde sie auswerten, um die Eigenart und die Originalität unseres internationalen Sekretariats und seine Entwicklung zu einer europäischen Vereinigung besser erscheinen zu lassen, die so verschieden von der des Jahres 1955 ist.


1.1 Am Beginn von SIESC im Jahre 1955, nach den einfachen kleinen Ereignissen, die Jan NUCHELMANS erwähnt, beherrschten 10 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ständig zwei Hauptfragen alle Vorkämpfer, so offensichtlich, dass sie gar nicht ausformuliert wurden: Wie kann man eine humane und befriedete Welt, und noch näher bei uns, ein solches Europa wieder aufbauen? Wie können wir unseren christlichen Glauben in Treue zu einer katholischen Kirche leben, die in einer neuartigen Gesellschaft verwurzelt ist? Das sind die zwei Grundpfeiler, auf denen der Aufbau Europas noch immer im Gange ist, und das Aggiornamento des Zweiten Vatikanischen Konzils ist noch immer zu schaffen und ins Werk zu setzen: die zweifache Grundlage der Geschichte des SIESC.

1.2 Wenn man die Aufzählung der Themen der ersten internationalen Jahrestreffen im Sommer liest und, bei einigen, sich erinnert, dann zeigt sich deutlich, dass für die Gründer der Weg nicht vorgegeben war, dass er im Gegenteil gemeinsam gebahnt werden musste. Das Entscheidende war die Begegnung derer, die vielleicht vor kurzem Gegner im Krieg waren und die in ihrem beruflichen Einsatz als Lehrer der Sekundarschule und in der Praxis ihres katholischen Glaubens eine Vision der Zukunft teilen konnten und mussten. Der Ausdruck „Begegnung“ ist übrigens noch immer der, der das wesentliche Ereignis des Lebens des SIESC mitten im Sommer kennzeichnet. Wesentlich war es auch, nicht das, was im Berufsleben und in der Gewerkschaftstätigkeit schon vorhanden war, zu verdoppeln, sondern den für uns passendsten gemeinsamen Bereich des Zusammenhangs von Glauben und Leben zu besetzen.

Also entfalteten sich die Treffen um das „spirituelle Leben“ der Lehrer, ein spirituelles Leben, das in der Beziehung Lehrende-Lernende verkörpert wird, in der Teilnahme an einer vorbildlichen Kultur, die daher als gemeinsam betrachtet wird. Eine Wahl, die es auch erlaubt, nicht die Unterschiede der Unterrichtsgesetze hervorzuheben und die Unterschiede der Problemstellungen und der Mentalität der Lehrer der Mitgliedsländer, in staatlichen und privaten Schulen, als Laien und Ordensangehörige, in ihren vielfältigen Kombinationen, die auf unterschiedliche und oft in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat konfliktbeladene „Geschichten“ zurück gehen.


1.3 Parallel dazu stellt sich eine zweite Frage: die Bindung dieses bescheidenen Verbindungsbüros, dessen Einsicht tief und gut durchdacht ist, an eine größere Einheit, die ihm mehr Sinn gibt.

Der erste Versuch, der selbstverständlich schien, war eine Annäherung an UMEC, die Weltunion Katholischer Lehrer. Aber das bedeutete, in einer neuen Situation in dem zu begrenzten Umkreis der Schule zu bleiben und in einem Verständnis von Erziehung und dem Platz der Katholiken, das zu sehr von dem gekennzeichnet war, was zu seiner Zeit, 1929, innovativ gewesen war, die Enzyklika „Divini illius Magistri“, was aber auf die Fragen der Nachkriegszeit nicht genug Antwort gab. Die dort enthaltene Vorherrschaft der katholischen Erziehung war auch für die Mitglieder der staatlichen Erziehungseinrichtungen, vor allem der französischen und italienischen, schwer zu leben.

Der zweite Versuch war der richtige, die Annäherung an die Internationale Bewegung Katholischer Intellektueller, besser bekannt unter ihrem Gründungsnamen Pax Romana (daher die derzeitige Bezeichnung „Pax Romana-MIIC“), also eine weltweite Bewegung mit beträchtlicher Bedeutung in der europäischen Nachkriegszeit und in den Zeiten der Entkolonialisierung. Pax Romana war nach dem Ersten Weltkrieg für „Intellektuelle“ gegründet worden, d.h. Akademiker mit dem Bildungsniveau höherer Bildung, die Führungskräfte der Gesellschaft. Lehrer der Sekundarschulen, besorgt um die Zukunft ihrer Schüler, fanden dort die Welt, die auch die Welt derer sein sollte, die sie formten. 1959 wurde das Verbindungsbüro, „Secrétariat International des Enseignants Catholiques“ genannt (SIESC), ein beruflich spezialisiertes Sekretariat von Pax Romana-MIIC, neben anderen Berufssekretariaten von Juristen, Wissenschaftern, Technikern, Künstlern. Dabei behielt SIESC seine vollständige Autonomie und blieb auf Europa beschränkt. Auf diesem Weg trat SIESC in die OIC ein, die Internationalen Katholischen Organisationen, die bei großen internationalen Institutionen anerkannt sind, und konnte dort seinen Platz einnehmen.


2.1 Von da an gestaltet sich das Leben des SIESC um seinen Rat, der sich zweimal im Jahr trifft, im Herbst und zur Zeit des Treffens im Sommer, und seinen Geschäftsführenden Vorstand. Beide wurden letztlich durch eine Vereinbarung zwischen Mitgliedsorganisationen im Jahre 1978 festgelegt und seit 1994 durch ein Vereinsstatut nach französischem Recht, da es kein europäisches Vereinsrecht gibt. Die nationalen Mitgliedsorganisationen bestimmen dafür ihre Delegierten, deren Gesamtheit den Rat bildet: der Rat wählt aus seinen Mitgliedern den Vorstand mit einem Präsidenten oder einer Präsidentin, zwei Vizepräsident/inn/en, einem/r Generalsekretär/in, einem/r Schatzmeister/in. Die Ehrenpräsident/inn/en, frühere Präsident/inn/en oder Vizepräsident/inn/en, werden häufig am Vorstand teilnehmen, nicht um der Ehre willen, sondern im Dienst der Beratung und der Kontinuität; der/die Herausgeber/in des Mitteilungsblattes SIESC-aktuell ist natürlich Mitglied des Vorstands. Alles Leben des SIESC wird dort getragen, entworfen, umgesetzt in einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit, die nicht immer ohne Spannungen, aber letztlich großzügig, geschwisterlich und effizient ist.


2.2 Die bekannteste Aktivität ist das Jahrestreffen im Sommer, in der Nähe der letzten Juliwoche festgelegt, die einzige Zeit, in der alle europäischen Lehrer Ferien haben. Es wird jedes Jahr in einem der Länder der Mitgliedsorganisationen veranstaltet. Die Themen werden von den Organisatoren in Partnerschaft mit dem Rat gewählt. Es ist interessant, ihre Abfolge durchzugehen; sie gibt Rechenschaft über die Interessensschwerpunkte, von denen man zugleich die besonderen Anliegen der organisierenden Länder und der Gesamtheit der Vereinigungen ablesen kann.

Die Jahrestreffen versammeln in diesen Jahren etwa 100 Kolleg/inn/en aus 12 bis 15 verschiedenen Ländern West-, Mittel-, Süd- und Osteuropas. Die Teilnehmerzahl hat 1989 in Innsbruck mit 228 Teilnehmer/inne/n einen außergewöhnlichen Spitzenwert erreicht.

Eine der ständigen Schwierigkeiten ist die der Sprachen. Am Anfang genügten zwei offizielle Sprachen, Französisch und Deutsch. Im Laufe der Treffen kam die Sprache des gastgebenden Landes dazu. Englisch wird jetzt von denen verwendet, die weder Französisch noch Deutsch verstehen. Wann immer es bei den Treffen möglich ist, werden schriftliche Übersetzungen verteilt; wenn nicht, muss man mehrere mündliche Übersetzungen überstehen: ein Beweis für Geduld und auch die Anerkennung der kulturellen Pluralität, die Europa ausmacht und an der wir festhalten, dank unseren übersetzenden Kolleg/inn/en.

Aber diese Schwierigkeit behindert, wenn sie einmal gemeistert ist, die Kommunikation und die Geselligkeit nicht. Das Ziel der Jahrestreffen, mit den Vorträgen der Referenten, ist die ganz freie Begegnung der Teilnehmer/innen, ebenso in den internationalen und mehrsprachigen Arbeitsgruppen wie in den Zeiten der Muße und der Geselligkeit. Da werden die Beziehungsgeflechte gebildet und aufrecht erhalten, in denen ein Sinn für internationale Verantwortung und für die Verantwortung der Lehrer gegenüber der Zukunft wächst. Die Vorgangsweise des SIESC ist nicht die von Grundsatzerklärungen oder Pressure-Gruppen, sondern die der Formung von Männern und Frauen, die dort handeln, wo sie leben, in ihren Ländern und auf europäischer Ebene, im internationalen Leben und im Bildungswesen.


2.3 Um auf internationaler Ebene aktiv zu werden, hat der Rat des SIESC als solcher Zugänge zum internationale Leben. Sie erfolgen in Form von schriftlichen Mitteilungen, Antworten auf Enqueten und persönlicher Teilnahme einiger seiner Mitglieder am Leben der internationalen Organisationen im Rahmen der Internatonalen Katholischen Organisationen. Die OIC nehmen sehr wohl ihren Platz im internationalen Leben ein, aber unsere Teilnahme bleibt begrenzt, weil eine aktive Präsenz bei diesen ein Ausmaß an Energie und Verfügbarkeit in Bewegung bringt, für das wir nicht die Mittel haben.

Einerseits hat SIESC als Mitglied von Pax Romana-MIIC an der Arbeit extraparlamentarischer Kommissionen des Europarats über Bildungsfragen teilgenommen; es hat einen Beitrag zum Weißbuch Jacques DELORS’ „Die Erziehung ist ein Schatz“ zur Verfügung gestellt. Es hat aktiv an europäischen Versammlungen und Arbeitsgruppen von Pax Romana-MIIC teilgenommen und durch seine Berichte zu gemeinsamen Aufgaben beigetragen.

Im Rahmen der OIC der Bildung hat SIESC seinen größten Beitrag geleistet und leistet ihn noch. SIESC findet dort 4 andere internationale Organisationen, FIUC (die internationale Föderation katholischer Universitäten), OIEC (das internationale Büro katholischer Erziehung), UMEC (die Weltunion katholischer Lehrer) und JEC International. Jan NUCHELMANS, der Vorsitzender der Arbeitsgruppe der OIC der Bildung war, hat 1997 einen Bericht über diese OIC veröffentlicht. Dort kann man den von SIESC übernommenen Anteil nachlesen, vor allem bei einem Kolloquium zum Thema „Die religiöse Bildung und die Schule“, das 1977 in Délèmont in der Schweiz von Jan NUCHELMANS organisiert und geleitet wurde.

SIESC ist dabei immer ein aktiver Bestandteil und hat im Laufe der wechselnden Vorsitze vor einigen Jahren den Vorsitz der Arbeitsgruppe inne gehabt.


2.4 Um Rechenschaft über das Leben des SIESC zu geben, wurde im September 1988 durch die damalige Generalsekretärin Susanne ZEITZ-KAMMERER ein Mitteilungsblatt geschaffen, zuerst zweisprachig, französisch und deutsch, dann in drei Ausgaben: französich SIESC-ACTUEL, deutsch SIESC-AKTUELL, englisch SIESC-TODAY. Die Redaktion wird von Agnès ROSE wahrgenommen, während der Satz, der Druck und der Versand von französischen Kolleg/inn/en durchgeführt werden. Das Mitteilungsblatt mit seinen zwei Nummern pro Jahr gibt Rechenschaft über das Leben der Vereinigungen, die Mitglieder, assoziiert oder eingeladen sind, über das internationale Leben, an dem SIESC teilnimmt, und über seine eigenen Tätigkeiten, im Besonderen durch den Bericht über das vorhergehende Jahrestreffen in der Jännernummer. Das Abonnement für 2 Jahre ist im Beitrag für das Jahrestreffen enthalten und Einzelabonnements vervollständigen die Zahl der Adressaten zusammen mit den Organisationen und den internationalen Institutionen, denen das Mitteilungsblatt geschickt wird.


3 Heute muss SIESC, wie jeder lebende Organismus ständig im Umbruch und bei der Wiederherstellung des Gleichgewichts in einer Welt in Bewegung, auf mehrere Herausforderungen antworten. Es genügt nicht, ein „Zusammenleben“ zu erlauben, was schon nicht so einfach ist, man muss die Weichen für die Zukunft stellen.


3.1 SIESC ist tief eingebunden in die Herausforderung an unsere katholischen Lehrervereinigungen, die sein Gerüst bilden. Man weiß, dass die Vereinigungen vergänglich sind und dass sie sich, um zu leben, auch anpassen, ja sogar umgestalten müssen, wobei das Vereinsleben, das Erziehungswesen und die Formen des Katholizismus die drei Variablen sind.

Zu Beginn, d.h. in dem Jahrzehnt, das noch in der Nachkriegszeit wurzelte, hatte eine bestimmte Zahl westeuropäischer Vereinigungen ein zweifaches Ziel: zugleich eine Vereinigung zu sein, die in das Berufsleben zur Vertretung der Lehrkörper und zur Steuerung der Erziehung eingreift, und eine Vereinigung zur Hilfe und geistigen und geistlichen Anregung ihrer Mitglieder. Mehrere unter ihnen haben diese zweifache Aufgabe nicht beibehalten und nur die berufliche oder die gewerkschaftliche Aufgabe ist erhalten worden; das war der Fall bei einer belgischen und bei der niederländischen Gründungsvereinigung. Nur zwei große Vereinigungen halten diese zweifache Aufgabe fest, die österreichische VCL und die italienische UCIIM.

Die Mehrzahl der Vereinigungen haben Schwierigkeiten mit der Gewinnung neuer Mitglieder. Einerseits ändern die Generationen ihr Verhalten immer schneller, die Vereinigungen altern, ohne dass neue Mitglieder dazu kommen, und heute wechselt man gerne von der Teilnahme an einer Vereinigung zu einer anderen mit einem anderen Interessensschwerpunkt. Andererseits entgehen unsere Vereinigungen der Krise des europäischen Katholizismus und dem Abbröckeln seiner Gruppen nicht.

Entsprechend den Ländern sind die Situationen und die Grade der Lebendigkeit verschieden. Die katalanische Vereinigung der Graduadas von Barcelona hat beschlossen, ihre Aktivitäten zu beenden, da es keine neuen Mitglieder gibt. Die deutsche Männervereinigung Philologengilde ist als Folge der Spannungen mit dem Episkopat aufgelöst worden. Die kleine luxemburgische Vereinigung hat seinen Mitgliederstand schwinden gesehen. Die regionale Vereinigung der Autonomen in Spanien und in Diözesen Portugals haben für die Gründung von nationalen Vereinigungen oder einer Vereinigung für die iberische Halbinsel nicht ausgereicht. Die Dynamik der französischen Vereinigung katholischer Lehrer im staatlichen Schulwesen, der Paroisse Universitaire, ist mehr die von Pensionisten als die von im Dienst Stehenden. Die italienische Vereinigung UCIIM hat die Zahl ihrer Mitglieder deutlich abnehmen gesehen usw..

Und schließlich ist in der 2. Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts das Bildungswesen selbst in Dauerkrise, wobei die Reformen und die Reformprojekte einander folgen wie die Regierungen und die Lehrer/innen den Sinn für ihre Sendung und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl verlieren.

SIESC hat weiter gearbeitet, ohne Angst lebend und die zweifache Krise der Kirche und der Schule ertragend. SIESC wurde vor allem durch die wachsende Bedeutung der internationalen und europäischen Dimension des Lebens getragen und durch den Beitrag der mittel- und osteuropäischen Länder gegen Ende des Sowjetkommunismus.


3.2 Die zweite Herausforderung und die große Chance des SIESC ist das Kommen der Kolleg/inn/en des „Ostens“. Schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden Kontakte vor allem mit den Polen geknüpft, häufiger mit geistlichen Begleitern als Lehrer/inne/n. 1991 in Fulda standen Kolleg/inn/en aus früher kommunistischen Ländern im Mittelpunkt, vor allem Polen, Rumänen und Slowenen; sie waren dank der Vernetzung von Pax Romana-MIIC eingeladen worden und dank den Begegnungen, die Gabriele PEUS, die damalige Präsidentin, dort gehabt hatte: eine herzliche und eindrucksvolle Begegnung. Später kamen Slowaken, Ukrainer, Ungarn, Kroaten, Albaner.

Es ging darum, einen Weg zu finden, die Kolleg/inn/en des „Ostens“ und die entstehenden oder wieder entstehenden Vereinigungen mit dem Leben des SIESC, mit dem Rat und seinen Aktivitäten, mit den Treffen im Sommer zu verbinden, die seit 1995 (Usti nad Labem in der Tschechischen Republik) bald im Osten, bald im Westen veranstaltet wurden. Man musste aber, auf der einen wie auf der anderen Seite, die vor und nach dem 2. Weltkrieg gelebte Geschichte ebenso wie die kulturelle und wirtschaftliche Lage berücksichtigen.


3.2.1 Die erste Schwierigkeit waren und sind noch die Unterschiede in der Höhe der Ressourcen. Der Preis unserer Treffen, mit der Reise und dem eigentlichen Treffen, den einige westliche Kolleg/inn/en schon hoch finden, steht in keinem Verhältnis zu den Gehältern der neuen europäischen Länder. Es gab keine andere Lösung als die Kosten zu teilen, indem man die Teilnehmer/innen aus dem Westen einen Teil der Reisekosten und der Aufenthaltskosten für die Teilnehmer/innen aus dem „Osten“ unterstützen lässt, weil begrenzte Subventionen von außen nur in ganz besonderen Fällen eine Rolle spielen können. Entsprechend der wirtschaftlichen Situation der verschiedenen Länder setzen wir im Rat das Ausmaß der Hilfe und die Zahl der Kolleg/inn/en fest, die pro Land unterstützt werden.


3.2.2 Aber diese wirtschaftliche Schwierigkeit war letztlich geringer als diejenige, die aus dem Zustand des sozialen Gefüges kommt, der Jahrzehnte, in deren Verlauf man gelebt hatte, ohne seine Initiativen in die Tat umsetzen und seine soziale Verantwortung ausüben zu können, ohne anderen vertrauen zu können, unter der Vormundschaft der Politik, der Regierung und der Polizei: das Vereinsleben wieder lernen. Man hatte auch an ein Bildungswesen zu denken, das nicht mehr das der Ideologien der vergangenen Jahre sein sollte, während die Lehrbücher dieselben blieben, die Mentalität sich nicht schnell entwickelte und die Verwaltungsvorgänge erhalten blieben: ein Bildungswesen wieder aufbauen. Und in der Kirche galt es nach der Verfolgung nicht von einer in die Vorkriegszeit zurückgedrehten Zeit zu träumen, in der die Kirche sehr häufig eine privilegierte, ja sogar beherrschende soziale Position hatte, sondern zum Aggiornamento vorwärts zu gehen, das im Westen mit dem Vatikanischen Konzil für eine Kirche, die entschlossen war, dienend und arm zu sein, begonnen worden war. Gewaltige Aufgaben, in jedem Land in einer etwas verschiedenen Art gelebt, die niemand anstatt der anderen erfüllen konnte, für die wir aber alle solidarisch sein sollten!


3.2.3 Die Kolleg/inn/en aus dem „Osten“ waren zuerst beinahe persönlich eingeladene Gäste; das zu lösende Problem war ihr Eintritt in den SIESC zusammen mit ihren Vereinigungen, in Achtung vor den Projekten der einen und der anderen. Der Rat hat beschlossen, dass es neben Mitgliedsorganisationen auch Platz für bloß assoziierte Vereinigungen gäbe, die in das Vereinsleben des SIESC weniger eingebunden sind und so überprüfen können, ob ihre Bindung an den SIESC ihrer Erwartung entspricht. Der Rat hat auch entschieden, als individuelle Mitglieder die aufzunehmen, die aus dem Westen wie aus dem Osten nicht durch die Vermittlung einer Vereinigung am Leben des SIESC teilnehmen können. Und die Jahrestreffen sind immer für alle offen, die kommen wollen, eingeladen durch den Rat oder andere Teilnehmer/innen.

Sehr schnell haben die slowenische und die tschechische Vereinigung Gestalt angenommen und sind Mitglieder des SIESC geworden. Die komplexe Situation in der Slowakei hat noch keine regelmäßige, effektive Zusammenarbeit erlaubt. In Rumänien sind die Kolleg/inn/en, die zum SIESC kommen, Lehrer/innen aus AGRU, der großen Organisation von Griechisch-Katholischen, die mit Rom uniert sind; da sie als Lehrersektion gegründet sind, hat der Rat die Lehrersektion als Mitglied des SIESC aufgenommen und trotz der Rumänien eigenen Schwierigkeiten ist die Zusammenarbeit aufrecht. In Ungarn, wo die Kolleg/inn/en 1998 das Treffen von Alsopahok hervorragend organisiert hatten, war es nicht möglich, ein Projekt einer Vereinigung zu Ende zu führen, die Mitglied des SIESC werden könnte, aber die Beziehungen und die Einladungen auf persönlicher Ebene sind weiterhin freundschaftlich. In der Ukraine sind die Beziehungen mit den Lehrer/innen der griechisch-katholischen Vereinigung OBNOVA unterbrochen worden. Vor kurzem wurde die polnische Lehrersektion des Klubs der katholischen Intellektuellen KIK, mit der die Beziehung sehr alt ist, Mitglied des SIESC, ebenso wie die junge kroatische Vereinigung.


3.2.4 Zum ersten Mal ist dieses Jahr in Prag ein anderes Problem deutlich aufgetreten: die Unterschiede oder Gegensätze der kulturellen, politischen und religiösen Empfindungen innerhalb des vergrößerten Europa. 1991 hatte uns in Fulda eine Rumänin mit langer Erfahrung, Viorica LASCU, gesagt, dass erst in etwa zehn Jahren die wahren Probleme zwischen Europäern auftreten würden, sobald die ex-kommunistischen Länder wirklich ihre volle Autonomie erlangt hätten. Man hat es auf der politischen Ebene bei der Stellung Polens gegenüber Europa und den USA im Zusammenhang mit dem Irakkrieg gesehen; man sieht es beim Text der europäischen Verfassung und seiner Präambel. Man hat es in Prag gehört bei zwei widersprüchlichen Vorträgen von zwei Tschechen über den Platz des Staates und der Familie in der Schule (vgl. den Bericht über das Treffen in SIESC-aktuell nr. 33). Wenn der Dialog schwierig ist, dann wird er wirklich notwendig und muss man ihn ehrlich eröffnen. Man weiß nämlich, dass das Gewicht der gelebten Geschichte sich mit den Jahren häufig nur vergrößert: da ist die Arbeit des internationalen Dialogs entscheidend.


4 Wenn die Grundlagen, auf denen SIESC ruht, halten, ist seine Aufgabe nicht beendet. Es hängt von den derzeitigen Verantwortlichen ab, zusammen mit all denen, die den SIESC in den verschiedenen Ländern bilden, SIESC in den Dienst der Welt und der Kirche des 21. Jahrhunderts zu stellen, demütig, auf dem Platz, der ihm gehört.

Eine Anpassung der Bezeichnungen: Die Worte „Secrétariat International d’Enseignants Secondaires Catholiques“ drücken nicht mehr dieselbe Dynamik aus wie vor 50 oder 40 Jahren. Wir behalten die bekannte Abkürzung SIESC und fügen hinzu: „Europäische Föderation Christlicher Lehrer“. Ohne unsere Identität zu verlieren, wird so unsere Bezeichnung lesbarer und richtiger. Unsere Teilnehmer/innen sind nicht nur Kolleg/inn/en der Sekundarstufe; Protestanten, und eines Tages vielleicht Orthodoxe, können sich in einer Vereinigung wohler fühlen, deren Name die ökumenische Öffnung ausdrückt; und Nicht-Christen können uns besser unter einem Adjektiv verstehen, das weniger strikt konfessionsgebunden ist.