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Neue Anforderungen an die Ausbildung der Schulleiter

Kurzfassung des Referates von Prof. Paolo Calidoni
Gehalten bei der 48. SIESC-Tagung, 29.7.2002, Frascati
Ins Deutsche übersetzt von Giuseppe Berno und Wolfgang Rank

Leitfragen

Mit welchen Tendenzen und Spannungen müssen sich heute Schulleiter in den G8-Ländern besonders auseinandersetzen?
Was ist die wahre Bedeutung der Rolle und Verantwortung der Schulleiter?
Welche Bedürfnisse muss man berücksichtigen und welche Maßnahmen zur Weiterbildung muss man treffen?

Anmerkungen zur Formulierung von möglichen Antworten und zur Diskussion:

1. Aussagen über den Zustand: Einige Spannungen und Tendenzen

1.1 Einerseits finden wir im Schulwesen eine Tendenz zur Standardisierung eines jeden Systembereichs und der Didaktik, andererseits herrscht die Tendenz zur Betonung des Charakters jeder Schulgemeinschaft als Einheit, als einer "lebendigen Welt"; die Spannung zwischen beiden Tendenzen stellt die Hauptfrage in der Diskussion über das Schulwesen und die Schule von heute dar.
1.1.1 Die Bewertung der Schülerergebnisse durch Testfragen zur Bestimmung ihrer Lernstufen und von "best practices", d.h. der Leistungen, die sich am meisten dem Standardniveau /"benchmark" nähern, je nach der Wahl des "Systemleiters", entspricht den Anforderungen an Bewertung und Beurteilung auf dem "global market" der westlichen Länder. Nach der Meinung von MacNeil verlegen das Standardniveau und die Bewertung je nach Systembereich den Ort der Kontrolle auf den jeweiligen Lehrplan. Dadurch würden "die Maßnahmen über Unterrichts- und Lernverfahren von den Gemeinden und beruflichen Gruppen in die Hände von erfahrenen Fachleuten übertragen, welche sich mit politischen Angelegenheiten beschäftigen. So wird der Demokratie bei der Schulleitung weniger Raum gegeben" und zusätzlich erfolgt "nach der Bürokratisierung der Schule eine Externalisierung der Schulleitung".
1.1.2 Im Gegensatz dazu und gleichzeitig verbreiten sich mit Erfolg alternative Schularten, die sogenannten "Tendenz- und Gemeinschafts"-Schulen, die mit der Erscheinung des ethnischen und religiösen Pluralität der westlichen Gesellschaften zusammenhängen. Diese "magnet schools" (nach der Bezeichnung von MacNeil) begründen ihre Qualität nicht mit den Ergebnissen von Test-Verfahren, sondern z.B. mit der Glaubwürdigkeit, die sie im Innern der Schule und außer ihrer Welt genießen, und mit der Wechselwirkung zwischen Schulbildung und persönlicher Ausbildung von Lehrenden und Lernenden, die als an ihrem Lehrplan mitarbeitende Schöpfer mitwirken.

1.2 Schulleiter sehen sich auch mit der Anwendung der neuen Technologien zur Information und Kommunikation (IKT) im Bereich der Bildung konfrontiert. Die Entwicklung des Internets war schneller als die aller anderen EDV-Medien und hat schon längst Radio und Fernsehen überholt. Die Menge von Informationen, die über das Netz gesendet werden, verdoppelt sich alle 100 Tage. Daher hat die American Association for School Administrators (AASA) Folgendes festgestellt: - Die Begriffe von Schule, Lehrer und Schüler brauchen in der digitalen Welt eine neue Definition; - Lehrer und Schulleiter brauchen ausreichende Unterstützung, um im Zeitalter der globalen Erkenntnis- und Informationsmittel tätig sein zu können; - Lernende, Schulsysteme und Schulgemeinschaften sind immer mehr miteinander und mit der Welt durch eine reiche, auf Wechselwirkung beruhende Informationstechnologie verbunden.

1.3 Auf Grund dieser Perspektive einer ständigen Erneuerung hat sich in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts allmählich eine Auffassung verbreitet, die das Schulwesen nicht nur als ausbildende Struktur betrachtet, sondern auch als lernende "Praktikantengemeinschaft". Die Perspektive der "learning organization" besteht darin, dass Bedingungen hergestellt werden müssen, damit die Schule statt einer "bürokratisch gesteuerten Unterrichtsmaschine" zu einer "Unterrichtsumgebung" und zu einem "Lernkontext" wird.

2. (Aus-) Bildungsleitung

Wenn man die Tabelle der "Arbeitskompetenzen" von Spencer & Spencer berücksichtigt, gewinnt man normalerweise ein nach Kompetenzbereichen gegliedertes Berufsprofil des Schulleiters. Wir finden einen Verwaltungs-, einen Kommunikations- und schließlich einen Technologiebereich.
Aber kann dieses traditionelle Profil der Berufskompetenzen eines Schulleiters ausreichen, um dem Wettstreit im heutigen Schulwesen gewachsen zu sein?
Nach Sergiovanni soll man jede Schulstruktur nicht als Betrieb, sondern als "schoolhouse", als "Lebenswelt" (lifeworld) betrachten. Dazu gehört der Begriff des "Bildungsleiters" als Beruf, der alles daran setzt, um Kultur-, Gemeinschafts- und Realitätsbewusstsein in unseren Schulen aufzubauen.
Daher stellt sich erstmals die "school administration" als eine ethische Disziplin dar, die gute oder bessere Verfahren, gute oder bessere Mittel, gute oder bessere Zielsetzungen betrifft, nicht nur die volle Wirkungseffizienz der angewandten Mittel für die Zielsetzungen, die von den Betriebsinhabern nach den klassischen Regeln der Betriebsleitung festgelegt worden sind.
So besteht die Aufgabe des "Bildungsleiters" darin, dass unterschiedliche Persönlichkeiten dazu geführt werden, sich an der Erreichung eines gemeinsamen Ziels zu beteiligen. In einer Schule, die von "leadership" gesteuert wird, wird jedes Mal eine Art Gemeinschaftspakt abgeschlossen, wenn man etwa Wichtiges erreichen muss.
Daher wird vom Schulleiter eine maieutische Funktion ausgeübt: er weiß gut, wie man all die anderen in der Schule tätigen Personen zur Geltung kommen lässt, damit sie fähig werden, zugunsten des Gemeinwohls zusammen zu arbeiten. Die Absicht einer solchen Leitung ist es, diese Schule unter der Bedingung zu entwickeln, dass Individuen und Gruppen sich an diesem Vorhaben beteiligen können und wollen. Ihre freien und bewussten Entscheidungen sollten jedes Mal unterstützt werden, wenn sie sich bemühen, eine gemeinsame Beteiligung an diesen Entscheidungen zu entwickeln.

3. Ausbildungserwartungen

Die Kompetenzen eines Schulleiters werden verschiedenartig eingestuft. Besonders erwähnenswert sind folgende Aussagen:

Um ein Fazit zu ziehen, kann man sagen, dass Vernetzungen uns die Möglichkeit bieten, an gemeinsamen Zielsetzungen virtuell beteiligte Gemeinschaften von Schulleitern zu bilden und sie wirkungsvoll aufrecht zu erhalten. Unserer Erwartung nach kann SIESC dazu seinen Beitrag leisten.

Bibliographie

CLEGG D. - BILLINGTON S., Leading Primary Schools, Open University Press, Buckingham-Philadelphia, 1997
FISCHER W.A. - SCHRATZ M., Dirigere la scuola, Brescia, 1995
HARGREAVES, LIEBERMAN, FULLAN, HOPKINS (eds.), International Handbook of Educational Change, part I, Kluwer Academic Publishers, Boston, 1998
McNEIL M. Linda, Contradictions of School Reform - Educational Costs of Standardized Testing, Routledge, New York & London, 2000
SPENCER L. M. - SPENCER R. H., Competenza nel lavoro, Franco Angeli, Milano, 1995
SERGIOVANNI T. J., The Lifeworld of Leadership - Creating Culture, Community, and Personal Meaning in Our Schools, Jossey-Bass, San Francisco, 2000

Frascati 2002