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47. Internationale Jahrestagung des SIESC, Pau, 25. ­ 29. Juli 2001

P. Jean-Marc Aveline
(Institut für Wissenschaften und Theologie der Religionen, Marseille)

Der christliche Glaube vor der Herausforderung des interreligiösen Dialogs

Jesus Christus ­ einziger Retter ?

(aus dem Französischen übersetzt von Wolfgang Rank)

Ich möchte zu Beginn drei Vorbemerkungen machen.

1. Ich möchte zuerst den Blickpunkt definieren, unter dem ich an das mir gestellte Thema herangehen werde. Mein Zugang wird der eines christlichen Theologen sein, genauer eines katholischen, der ganz aus dem Inneren einer bestimmten religiösen Tradition, d.h. des Christentums, über die Probleme der Begegnung zwischen den Religionen nachzudenken versucht, in einem geschichtlichen Umfeld, das durch die vielfachen Auswirkungen der Globalisierung gekennzeichnet ist, und in einer französischen Gesellschaft, die durch Jahre des Laizismus und der Säkularisierung geprägt ist. Meine Position ist also nicht die eines Beobachters von außen, der versuchen würde "auf Distanz" zu bleiben, um besser erklären zu können, sondern die eines "teilnehmenden Beobachters", der annimmt, dass er selbst existenziell in die Situation verstrickt ist, die er trotzdem objektiv zu erklären und zu begreifen versucht.

2. Wir finden uns vor einer zugleich komplexen und noch nie dagewesenen Situation. Man muss nämlich erkennen, dass das 20. Jahrhundert in Bezug auf Religion vielfältigen Richtungswechseln unterworfen worden ist. Vor nur einigen Jahrzehnten war der Westen noch sicher über die endgültige "Entzauberung der Welt" und den "Tod Gottes", jetzt beginnt er das 21. Jahrhundert in einem Umfeld einer erstaunlichen spirituellen Überfülle und einer noch nie dagewesenen Vermischung von Überzeugungen und Glaubensformen. Diese Tatsache bezeugt die Kraft der großen Religionen der Welt, eine Kraft, die umso erstaunlicher ist, als der Enthusiasmus für die Vernunft im Zeitalter der Aufklärung geglaubt hatte, dass die Religionen unheilbar einem nahen Tod verfallen seien. Doch diese unbestreitbare Lebenskraft der Religionen wird von einer Aufspaltung und Verschiebung des Religiösen begleitet, die übrigens oft schwer zu deuten sind. Ebenso kommt zu dieser Überfülle das Gleichbleiben, ja sogar die Erhöhung der Zahl derer, die indifferent gegenüber jeder religiösen Botschaft bleiben oder werden, oder gar derer, die sich im entschlossenen Indifferentismus engagieren.

Nichtsdestoweniger, und damit beende ich meine zweite Vorbemerkung, ist die Pluralität der religiösen Bekenntnisse heute eine unbestreitbare Tatsache in unserem Land, und die ganz konkret im Lebenslauf gelebte Begegnung zwischen Gläubigen verschiedener Religionen stellt zweifellos eine Chance und eine Herausforderung für jede Religion dar, für die Gesellschaft als ganze und für unsere Institutionen im Besonderen. Man kann sich darüber freuen oder es bedauern, aber es handelt sich um eine Tatsachenlage, und sie kann nicht den Glauben der Christen nicht befragen.

3. Zu dieser sich ständig entwickelnden Situation hat jede Religion ihren eigenen Standpunkt. Die katholische Kirche hat ihrerseits seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) ein klares Engagement für den Weg der Begegnung und des interreligiösen Dialogs eingenommen. Dieses Engagement wurde kürzlich speziell in Richtung auf den Islam durch den Text der Bischöfe Frankreichs (1) unterstützt und ermutigt, der auf ihrer Vollversammlung in Lourdes im November 1998 beschlossen wurde. Auf der Grundlage dieses Engagements der Kirche möchte ich Ihnen als christlicher Theologe einige Reflexionen über die Herausforderung vortragen, die das Abenteuer der interreligiösen Begegnung für den christlichen Glauben darstellt. Ich werde in drei Schritten vorgehen.

Zuerst werde ich das Fundament unseres Glaubens zu präzisieren versuchen, d..h. das Engagement Gottes in Jesus Christus. Ich habe das Wort "Engagement" gewählt, weil dieses Wort gut ausdrückt, was im Christentum die Offenbarung und das Heil sind: nicht eine Information, die Gott von ferne über sich selbst gegeben hat, damit wir an ihn glauben können, sondern eine Aktion, ein Wort, das in Aktion ist (das ist die Bedeutung des hebräischen Wortes davar), ein Wort, das Engagement bedeutet, in einem konkreten menschlichen Leben, bis zum Tod am Kreuz. Hans Urs von Balthasar, der Autor eines Buches mit dem genauen Titel "Das Engagement Gottes" (2), schrieb in einem anderen Werk: "Die Enthüllung des "Herzens Gottes", die Tat, die uns wirklich sagt, wer er ist, verwirklicht sich nur im Ablauf seiner Geschichte mit den Menschen." (3)

Ich werde dann in einem zweiten Schritt kürzer die grundlegenden Charakteristika der Sendung der Kirche ableiten, so wie sie sich ausgehend vom Engagement Gottes und in Abhängigkeit von der Realität der heutigen Welt zeigen, bevor ich schließlich in einem dritten Schritt den besonderen Stellenwert des interreligiösen Dialogs in der so verstandenen und neu definierten Sendung der Kirche analysiere.

1. Das Engagement Gottes für das Heil der Welt

Für diesen ersten Abschnitt möchte ich Sie einladen, sich kurz drei Dinge bewusst zu machen. Das erste betrifft den, der das Engagement eingeht, d.h. Gott, wobei das Wort "Gott" im Christentum eine sehr genaue Bedeutung hat, die man von der unterscheiden lernen muss, die ihm die anderen Religionen geben; das zweite betrifft die zentrale und entscheidende Tat dieses Engagements, d.h. das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi; das dritte betrifft den Adressaten dieses Engagements, der nicht die Kirche ist, sondern die Welt selbst, d. h. nicht nur die Menschheit in der Unterschiedlichkeit ihrer Kulturen und Religionen, die Menschheit, der ein Bündnis vorgeschlagen worden ist, sondern auch der Kosmos und die ganze Schöpfung.

Machen wir uns zuerst bewusst, dass es nicht genügt an Gott zu glauben, um sich als Christ zu identifizieren, da es viele andere Personen gibt, die an Gott glauben, in einer tiefen, ehrlichen und achtenswerten Art und Weise, und die nicht deswegen Christen sind. Man muss also zu präzisieren suchen, was die christliche Art und Weise ist an Gott zu glauben. Was unterscheidet die Christen einerseits von all denen, die auch an Gott glauben, seien es Juden oder Muslime, und andererseits von all denen, die eine Weisheit im Leben praktizieren, seien es Hindus, Buddhisten oder sei es, dass sie einem anderen Weg folgen? (4) Und selbst wenn man von Gott spricht, spricht man wirklich von selben Gott?

Wir müssen uns daran erinnern, dass für die Christen die Identität Gottes durch die Beziehung bestimmt ist, die der Glaube zwischen Gott und Jesus Christus bekennt. Streng genommen wissen wir nichts von Gott, was uns nicht durch und in Jesus Christus, dem Fleisch gewordenen Wort, geoffenbart worden ist. Genauer noch, die Einzigartigkeit und das Personsein Gottes sind durch seine Beziehung des Vaterseins gegenüber seinem Sohn Jesus Christus in der Gemeinschaft des Hl. Geistes gekennzeichnet. Man darf daher nicht zu schnell unsere Art und Weise Gott zu begreifen mit der der Gläubigen anderer Religionen gleichsetzen, sonst hält man diese trinitarische Beziehung für unwesentlich. Man muss also der Versuchung zu einer oberflächlichen Angleichung von christlichem Verständnis von Gott und dem, das in anderen Religionen vorherrscht, widerstehen. Der christliche Glaube ist Antwort an einen Gott, der sich in einem Heilsereignis geoffenbart hat, das ein historisches und einzigartiges Ereignis ist, das Ereignis des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Ausgehend von diesem Ereignis bekräftigt dieser Glaube, dass "Gott will, dass alle Menschen gerettet werden" (1 Tim 2,4) und dass "es nur einen Mittler des Heiles gibt, einen Menschen, Jesus Christus, der sich als Lösegeld für die Vielen hingegeben hat" (1 Tim 2,5). Und aus diesem Grund drückt sich dieser Glaube vor allem in der eucharistischen Feier der Erinnerung an das Leiden und die Auferstehung Jesu aus.

Wenn die Christen behaupten, dass Jesus Christus "zugleich der Mittler und die Vollendung der ganzen Offenbarung" ist (Dei Verbum § 2), bezeugen sie, dass im Menschen Jesus, bekannt als der Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, "leiblich die ganze Fülle der Gottheit" gewohnt hat (Kol 2,9). Auch wenn diese Behauptung der menschlichen Vernunft sehr schwierige Fragen stellt, ist sie dennoch sehr wichtig, um die Einzigartigkeit des Christentums unter den Religionen zu begreifen. Diese Einzigartigkeit gründet sich auf eine bestimmte Idee der Offenbarung, die sich radikal von der unterscheidet, die man in anderen religiösen Traditionen findet und der wir uns gut bewusst sein müssen, da sie wichtige Konsequenzen für die Begegnung des Christentums mit den Religionen hat.

Wenn nämlich die Offenbarung nur eine Gesamtheit von Wahrheiten wäre, die vom Himmel fallen und denen man anhängen muss, dann könnte man sich fragen, ob es nicht günstig wäre, diese Informationen über Gott durch andere Wahrheiten zu bereichern zu suchen, die Gott anderswo gegeben hat, vor allem in den Religionen, was logisch ist, wenn die Wahrheiten der einen eine Ergänzung zu den Wahrheiten der anderen wären. Man würde dann dazu kommen, eine Pluralität der Heilswege anzunehmen, die im Grunde gleichwertig wären. Das ist genau der Relativismus, den die kürzlich veröffentlichte Deklaration der Kongregation für die Glaubenslehre mit dem Titel Dominus Iesus vor Augen hat.

Denn die Offenbarung, wie sie der christliche Glaube empfängt, ist nicht eine Mitteilung von Wahrheiten, so groß und so schwierig sie auch sein mögen. Sie ist eine Selbstmitteilung Gottes (um einen bei Karl Rahner beliebten Ausdruck wieder aufzunehmen) über sein dreifaltiges Leben, sein göttliches Sein, eine Selbstmitteilung, die genaugenommen ein Engagement ist, ein Geschenk, eine Einladung von Seiten Gottes, damit jeder Mann und jede Frau, die frei auf diese Einladung antworten, aus dem Leben Gottes selbst leben und an der Freude und der Freiheit der Kinder Gottes teilhaben können. Gewiss hat sich Gott nicht nur von Christen erkennen lassen, und der christliche Glaube gibt nicht vor, dass man außerhalb von ihm nicht gerettet werden könne. Aber er behauptet, dass der Geist, der in der Welt gegenwärtig und wirksam ist, der Geist Christi ist, der Geist Jesu Christi, und dass daher alles Heil von Christus kommt, wie auch immer das Bewusstsein sei, das man vom Ursprung dieses Heiles hat. Wie es das 2. Vatikanische Konzil bekräftigt, wenn es über das Heilsangebot spricht:

Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein. (5)

Wir verstehen also, warum das Christentum sich nicht damit begnügen könnte, eine "Religion des Buches" genannt zu werden. Für es ist nämlich eine Person, Jesus der Christus, und nicht ein Buch, und sei es das Neue Testament, die Fülle der Offenbarung (6). Und noch dazu ist es nicht bloß Jesus, sondern der gekreuzigte (1 Kor 2,2) (7) und auferstandene (1 Kor 15,17) (8) Jesus, der im Herzen des Glaubens der Christen ist. Alles, was Gott uns zu sagen hatte, hat er uns in diesem Menschen gesagt, seinem vielgeliebten Sohn. Man muss die Kühnheit dieser Behauptung und ihre für die menschliche Vernunft gleichsam skandalöse Eigenart richtig ermessen. Gott hat uns alles von sich in der ganz einfachen Existenz jenes Menschen gegeben. "Und das," schreibt Balthasar, "durch ein demütiges menschliches Leben, das nichts Außergewöhnliches auszeichnet außer der brennenden Liebe zum Vater und zu den Menschen, ein Leben eines Arbeiters und Predigers, das in Armut und Schande vollendet wird. Seine Verherrlichung nach dem Tod wird nur durch vereinzelte Zeugen bezeugt. Nichts, wovon die Weltgeschichte Kenntnis genommen hätte. Nur ein Mensch, der Menschensohn." (9)

In jeder interreligiösen Begegnung ist es also wichtig sich zu erinnern, dass die Christen, wenn sie von Gott sprechen, über denjenigen sprechen, der sich selbst mitgeteilt hat, der sich geschenkt hat, der sich engagiert hat, der sich ausgeliefert hat für uns (pro nobis) in Jesus Christus, ein dreifaltiger Gott, der sich durch sein Handeln in der Geschichte der Menschen geoffenbart hat, und dessen Engagement in seinem Sohn Jesus Christus gipfelt, unserem Herrn, gestorben und auferstanden, um jedem Menschen den Weg des Lebens und der Wahrheit zu eröffnen, wobei er ihn einlädt, an seinem eigenen dreifaltigen Leben teilzunehmen und bei seinem Heilswerk mitzuwirken. Nur wenn man das zur Kenntnis nimmt, wird man die Originalität der Kirche und ihrer Mission begreifen können.

Denn keine andere Religion bekennt meines Wissens eine solche Sache. (10) Keine andere gibt vor, dass ihr historischer Gründer nicht nur ein Mensch ist, so vollkommen er auch sein mag, sondern Gott selbst, Gott, in Wirklichkeit engagiert und gegenwärtig in unserer Geschichte. Und man muss wohl erkennen, dass diese Behauptung teils einen Skandal, teils eine Torheit enthält. Und trotzdem ist es das, was die Kirche bekennt, ist es dieses Ereignis, zu dem sie ohne Unterlass in der eucharistischen Feier einlädt, und man wird nicht dadurch, dass man diesen Glauben relativiert, den interreligiösen Dialog erleichtern, wie gewisse modische relativistische Theorien uns gerne glauben machen wollen. Ganz im Gegenteil wissen diejenigen, die wirklich in der interreligiösen Begegnung engagiert sind, dass ein wahrer Dialog die Achtung vor dem Glauben jedes einzelnen der Partner voraussetzt, in seinem eigenen Zusammenhang, auch wenn er für den anderen Gesprächspartner schwer zu begreifen ist.

Ich füge hinzu, dass man als Folge die beiden anderen Punkte besser bewusst machen kann, zu denen ich Sie vor kurzem eingeladen habe.

Zuerst jener über die entscheidende und zentrale Tat des Engagements Gottes, d.h. das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Es ist nämlich die Logik der Menschwerdung, die den Zusammenhang des christlichen Glaubens begründet, und man könnte diese Logik nicht auf eine Metapher (11) reduzieren, indem man vorgibt, dass das Wort Gottes, das in Jesus Fleisch geworden ist, genauso anderswo Fleisch werden könnte, für andere Kulturen und andere Religionen, während Jesus nur der Retter der Christen sei, d.h. der Religion der westlichen Kultur. Solche Denkweisen fügen dem großen Schaden zu, was den christlichen Glauben in seiner tiefsten Originalität ausmacht. Auf dem Kreuz ist Gott voll engagiert, total, ohne Umkehr, und nicht "nur ein wenig", wobei er "sich Reserven zurückbehält" für andere Offenbarungen oder andere Inkarnationen oder Reinkarnationen anderswo! So wie Joseph Doré in einem in Chemins de dialogue 9 veröffentlichten Artikel schreibt:

Was es dem Wort-Sohn Gottes möglich macht, der Gesamtheit der Menschen unter den Bedingungen ihrer Geschichte (in der jeweiligen besonderen Art) wirksam zu begegnen, ist auch das, was ihn "einschreibt", und bis zu einem gewissen Punkt umschreibt, an einem bestimmten Punkt dieser Geschichte! So dass das, was der Glaube die universelle Auswirkung des Mysteriums Christi nennt, nur unter der Bedingung gilt, dass auch Folgendes gilt: einerseits dass Jesus letztlich hier nur Bedeutung hat, weil er unauflöslich mit dem Christus verbunden ist, und andererseits dass der Christus uns nur wirksam begegnen kann in dem Maß, in dem er sich wahrhaft mit diesem Menschen unserer Geschichte, der Jesus ist, verbunden hat, ohne ihn in sich zu absorbieren. (12)

Wenn die Wirksamkeit des Heils für alle durch die Wirklichkeit der Menschheit Christi erfolgt (vgl. Tertullian: "Das Fleisch ist die Schwester Christi."), dann ist das Heil wirklich umso universeller, je mehr Gott sich wirklich inkarniert. Paradoxerweise gilt also: Im selben Maß wie ich die historische Einzigartigkeit Jesu als Fleisch gewordenes Wort behaupte, behaupte ich in gleicher Weise die Universalität des Heils, die sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung für die ganze Menschheit verwirklichen.

Man kann daher nicht theologisch die Bedeutung und Auswirkung des Kreuzes Christi begrenzen, indem man über das Christentum sagt, dass es die Religion der westlichen Kultur sei, wie es heute noch gewisse relativistische Strömungen behaupten. Nicht dass das Christentum die absolute Religion wäre noch die beste der Religionen. Aber weil das Geschenk, das Gott von sich aus in seinem Sohn gemacht hat, das im Glauben empfangen zu werden verlangt, jeden Menschen betrifft, jede Kultur, jede Religion. Deswegen hat die Kirche eine universelle Sendung erhalten und treibt ihre Katholizität, immer im Werden, sie an, das Evangelium allen Völkern zu verkünden, ohne selbst vorher die Früchte bestimmen zu können, die das Evangelium bringen wird, wenn es in authentischer Weise aufgenommen worden ist, und die es in verschiedenen Kulturen reifen lassen wird.

Schließlich begreift man ebenso (dritter bewusst zu machender Punkt), dass es sehr wohl die Welt ist, die der Adressat dieses Engagements Gottes ist und dass die Kirche nur die Dienerin für Gottes Handeln ist, die gerufen ist an der Sendung des Heiligen Geistes mitzuwirken. Das 2. Vatikanische Konzil hat diese Dimension des Glaubens stark in Erinnerung gerufen und hat das besondere Problem der Begegnung der Religionen nur auf der Grundlage dieses Engagements der Kirche ins Auge gefasst, die gerufen ist, dem Beispiel des Engagements Gottes für die Welt zu folgen. "Ja, Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, damit jeder Mensch, der an ihn glaubt, nicht zu Grunde gehe, sondern das ewige Leben habe. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um die Welt zu verurteilen, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde." (Joh 3,16-17) So wie es Papst Paul VI. in seiner ersten Enzyklika Ecclesiam suam 1964 ausgedrückt hat:

Das, ehrwürdige Brüder, ist der transzendente Ursprung des Dialogs. Er findet sich in der Absicht Gottes selbst. ...... Die Offenbarung, die die übernatürliche Beziehung ist, die Gott selbst mit der Menschheit herzustellen begonnen hat, kann als ein Dialog dargestellt werden, in dem das Wort Gottes sich durch die Inkarnation ausdrückt und in der Folge durch das Evangelium. ......... Die Heilsgeschichte erzählt diesen langen und verschiedenartigen Dialog, der von Gott ausgeht und mit dem Menschen ein abwechslungsreiches und erstaunliches Gespräch anknüpft. .......... Wir müssen uns im Geist immer diese unaussprechliche und wirkliche Beziehung des Dialogs vergegenwärtigen, angeboten und eingerichtet mit uns durch Gott Vater durch die Vermittlung Christi im Heiligen Geist, um zu verstehen, welche Beziehung wir, d.h. die Kirche, mit der Menschheit einzurichten und zu fördern suchen müssen. (13)

In diesem Sinn müssen wir verstehen, ausgehend vom Engagement Gottes, was die Sendung der Kirche ist. Ich komme so zum zweiten Abschnitt meines Vortrags, den ich als kürzer angekündigt habe.

2. Die Sendung der Kirche

Der missionarische Eifer der Kirche wurde lange Zeit durch die Sicherheit aufrecht erhalten, für das Heil der Völker zu arbeiten, die unvermeidlich in die Verdammnis gehen würden, wenn sie nicht die grundlegenden Mysterien des Christentums kennen lernen und nicht aus seinen Sakramenten Nutzen ziehen könnten. Wir sind uns heute mehr bewusst, dass Gott den Verlust keines Menschen will, der ihn in Rechtschaffenheit sucht und Gerechtigkeit und Nächstenliebe übt. Daraus folgt keineswegs, dass die Sendung weniger notwendig ist noch ihr Handeln weniger heilbringend. Außerdem muss man das Band präzisieren, das zwischen Jesus Christus und der Kirche besteht, zwischen dem einzigen Mittler des Heils und der Gemeinschaft derer, die seine Jünger sind. Nur um diesen Preis wird man den Wert und den Sinn des Engagements der Kirche für die Begegnung und die Zusammenarbeit mit den Religionen verstehen. Ich werde zu diesem Thema drei Bemerkungen machen.

1) Der christliche Glaube bekennt, wie man gesehen hat, nicht nur, dass Jesus der einzige Mittler des Heils ist (1 Tim 2,5), sondern auch, dass dieser Jesus ein Volk mit sich verbinden wollte, dass er eine Kirche errichtet hat, die gerufen ist, sich von ihm als sein eigener Leib anzunehmen, und dass er diese Kirche mit dem Heilswerk für die Welt verbinden wollte, d.h. mit dem dynamischen Ablauf der Mitteilung des Lebens Gottes selbst an die Welt. Das ist es, was die Kirche in ihren Sakramenten feiert. Folglich findet sich die Kirche aus reiner Gnade und nicht auf Grund ihrer Verdienste mit dem Handeln verbunden, durch das Gott die Welt retten wollte. Wenn sie zum Heil notwendig ist, dann deswegen weil das Heil von Christus kommt, nicht nur durch das Haupt, sondern auch durch seinen Leib, der die Kirche ist. Folglich versteht die Kirche sich nicht als ein Heilsweg unter anderen. Sie ist sich bewusst, dass sie die Sendung erhalten hat, in Christus das Sakrament des Heiles zu sein (Lumen gentium 1 und 48). Sie ist gerufen, das Zeichen des Heiles für die Menschenfamilie zu sein, selbst eingeladen, Christus einen Leib zu geben, sich anpassen zu lassen, die Gestalt Christi anzunehmen, und die Kirche ist das Mittel, durch das der Leib der Menschheit durch den Leib Christi gestaltet wird. Das ist der Sinn ihres Lebens, ihrer Liturgie, ihrer Feier der Sakramente und ihres Apostolats. Es ist wichtig zu bemerken, dass man meines Wissens in keiner anderen Religion eine solche Beziehung zwischen den Jüngern und dem Meister findet, ein solches Band, dass diejenigen, die ihm folgen, an der Identität dessen teilhaben, dem sie folgen. Es ist nicht der "ganze Christus", um mit dem Heiligen Augustinus zu sprechen, solange sie nicht alle in Christo leben, um mit dem Heiligen Paulus zu sprechen.

2) Ein so enges Band zwischen Christus und der Kirche war niemals eine Garantie gegen die Versuchung der Verabsolutierung, d.h. gegen das Risiko, sich selbst für die Quelle des Heils und die absolute Religion zu halten. Die Geschichte zeigt uns, dass die Versuchung immer wieder entsteht. Nun ist die Kirche nicht die absolute Religion, sie ist aber der Keim und der Beginn des Reiches Gottes auf der Erde. (14) In dieser Hinsicht ist sie mit dem Sauerteig im Teig vergleichbar, einerseits unersetzlich, da ohne ihn der Teig nicht aufgeht, und dennoch vorläufig, da das, was entscheidend zählt, nicht ist, dass man am Schluss den Sauerteig wieder findet, sondern vielmehr, dass das Brot gebacken und bereit ist geteilt zu werden. Wie Balthasar schreibt:

Der Sauerteig muss in den Teig eingearbeitet werden. Er muss dort hineinsinken und verschwinden, um seine Kraft zu zeigen und den Teig in Brot zu verwandeln. Für sich selbst ist er nichts; im anderen ist er alles. ...... Und was macht aus dem Christen den Sauerteig, der die Kraft erwirbt, die Welt aufgehen zu lassen? Was gibt ihm die besondere Eigenart, die durch nichts ersetzt werden kann? Das Wort "geben" deutet schon einen entscheidenden Punkt an: das, was aus dem Menschen einen Christen macht, kann sich der Mensch nicht selbst nehmen. Das muss ihm gegeben werden. Das ist eine Gnade. Aber was ihm gegeben wird, muss er annehmen und sich aneignen. Auch er ist ursprünglich einfacher Teig, der sich durchdringen lassen muss, um Sauerteig zu werden. (15)

3) Die Sendung der Kirche versteht man nur, wenn sie als Dienst verstanden wird. Auch wenn sie nicht aus allen besteht, weit gefehlt, ist die Kirche für alle da. Da liegt der Sinn ihrer Katholizität, die immer im Werden ist: im Dienst des Heils der Welt zu sein, im Dienst der Begegnung zwischen jedem Mann, jeder Frau und dem Wort des Lebens. Die Sendung der Kirche ist es, die Begegnung zwischen dem Evangelium und den Kulturen zu begünstigen, und deswegen interessiert sie sich mit Hochachtung für die Religionen, die diese Kulturen beleben und in denen, wie sie weiß, Samen des Wortes niedergelegt sind, die nur danach verlangen, sich noch mehr zu entfalten. Und die Kirche weiß auch, dass sie, wenn sie dieses Abenteuer der Begegnung lebt, selbst das besser verstehen wird, was sie zu verkündigen beauftragt ist und was sich noch mehr erhellen wird im Lichte dessen, was die anderen Kulturen und Religionen an Samen des Wortes enthalten. (16)

Solange sie so für die Begegnung arbeitet, stellt sich die Kirche nicht in die Perspektive einer einfachen gegenseitigen Befruchtung zwischen gleichwertigen Religionen. Sie weiß, auch wenn sie selbst in der Position einer Minderheit und der Gefahr ist, dass sie "die Braut des Wortes" (sponsa Verbi) ist und dass sie an der Sendung des Heiligen Geistes mitarbeitet, der weht, wo er will, der aber immer der Geist Christi ist, der Geist, der sie als "Kirche Jesu Christi" ausmacht.

Diese drei Bemerkungen erlauben uns jetzt schon, nicht nur zu begreifen, aus welchem Grund die Kirche findet, dass der interreligiöse Dialog einen Teil ihrer Sendung darstellt, sondern auch zu unterscheiden, unter welchen Bedingungen dieser Dialog sich einreiht in das unaufhörliche Engagement Gottes für die Welt und wirklich einen "Dialog des Heils" darstellt. Das müssen wir jetzt im dritten und letzten Teil unserer Reflexion ein wenig entwickeln.

3. Der interreligiöse Dialog

Die Zukunft des interreligiösen Dialogs ruft zur Zeit in der christlichen Theologie, sowohl in der katholischen als auch der protestantischen und sogar der orthodoxen, zahlreiche Debatten hervor, die hier in Erinnerung zu rufen zu lange dauern würde. (17) Ich werde mich damit begnügen, die Position des katholischen Lehramtes zu dieser Frage zu präzisieren (18) und einige der Fragen zu nennen, derer sich die Theologie annehmen muss.

Die aktuelle Position des katholischen Lehramts auf den theologischen Grundlagen des Engagements der Kirche im interreligiösen Dialog kann in drei Punkten zusammengefasst werden.

1) Der christliche Glaube anerkennt die positive Rolle der anderen Religionen, soweit sie geschichtlich-soziale Institutionen sind (19), in der allgemeinen Heilsökonomie. Die Kirche behauptet, dass die Riten und Lehren der anderen Religionen tatsächliche Wirksamkeit für das Heil ihrer Anhänger haben können. (20) Dadurch wird eine ausschließende (exklusivistische) Position abgelehnt, die im Namen eines strikten Kirchenzentrismus den nichtchristlichen Religionen jeden heilbringenden und offenbarenden Wert verweigern würde, indem sie sich auf eine unnachgiebige ­ und also falsche - Interpretation des alten Spruches der Kirchenväter stützt: "außerhalb der Kirche kein Heil" (21) Da Gott will, dass "alle Menschen gerettet werden" (1Tim 2,4), ist es möglich zu behaupten, dass sich in den Religionen selbst "Samen des Wortes" niedergelegt finden (22), "Strahlen der Wahrheit, die jeden Menschen erleuchtet" (23), und dass "der Heilige Geist allen in einer Weise, die Gott kennt, die Möglichkeit anbietet, mit dem Ostergeheimnis verbunden zu werden". (24)

2) An diese erste Behauptung schließt sich eine zweite an, die das Lehramt mit der selben Entschiedenheit festhalten will, nämlich die Einzigkeit und Universalität der Mittlerschaft Christi in der allgemeinen Heilsökonomie. Jesus Christus ist "der einzige Mittler des Heils" (1 Tim 2,5) und "es gibt kein Heil außer in ihm; denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, der notwendig wäre für unser Heil" (Apg 4,11-12). Folglich muss man, um die beiden Behauptungen zu verbinden, sagen, dass die Religionen nur von ihren Beziehungen zu Christus in den Augen der Christen ihren positiven Wert in der Heilsordnung erhalten: "Der Wettbewerb von (verschiedenen) Mittlerschaften von Vorbildern und verschiedenen Ordnungen ist nicht ausgeschlossen, aber diese beziehen ihren Sinn und ihren Wert allein aus der Mittlerschaft Christi, und sie können nicht als parallel oder ergänzend angesehen werden." (25) Dadurch wird dieses Mal eine relativistische Position abgelehnt, die vertreten würde, dass alle Religionen in einer von der konkreten Geschichte des in Jesus Christus erreichten Heils vollkommen unabhängigen Art und Weise zum Heil führen können und dass alles gleich wert ist. Das ist das Hauptziel der Deklaration Dominus Iesus.

Das christologische Problem steht also, wie man sieht, im Zentrum der Debatte, was nicht erstaunlich ist, wenn die allgemeine Gestalt des Bekenntnisses des christlichen Glaubens gegeben ist. (26) Die Theologie muss zuerst zeigen, wie das historische, besondere, konkrete Ereignis der heilbringenden Menschwerdung Gottes in Jesus Christus in einer universellen Art und Weise die Gesamtheit der Menschheit betrifft. (27) Sie muss dann erklären, wie gemäß dem Glauben der Christen die anderen Religionen genauso einen heilbringenden Wert besitzen, der von Christus hervorgeht. Das ist einer der heikelsten Punkte im Dialog des Christentums mit den zwei anderen großen monotheistischen Religionen. Da in der Christologie gibt es ein sehr bedeutendes Arbeitsfeld für das zeitgenössische Nachdenken. Ich zitiere die Deklaration Dominus Iesus:

Wenn man diese Gegebenheit des Glaubens berücksichtigt, ist die heutige Theologie, wenn sie über das Dasein anderer religiöser Erfahrungen und über ihre Bedeutung im Heilsplan nachdenkt, eingeladen, die positiven Aspekte und Elemente dieser Religionen zu prüfen: Treten sie in den göttlichen Heilsplan ein? Wie? Die theologische Forschung findet in diesem Nachdenken eine weites Arbeitsfeld unter der Leitung des kirchlichen Lehramts. ...... Man muss den Inhalt dieser teilhabenden Mittlerschaft erleuchten, die durch das Prinzip der alleinigen Mittlerschaft Christi geführt bleiben muss. (28)

3. Unter Berücksichtigung der zwei vorangegangenen Behauptungen behauptet das Lehramt der katholischen Kirche, dass die Sendung der Kirche, als "universelles Heilssakrament", das durch Christus gebracht wurde (29), selbst ein dialogisches Fundament hat. Weil Gott in seiner Offenbarung die Initiative ergriffen hat, wie Paul VI. sagte, mit der Menschheit einen "Dialog" zu beginnen (30), deshalb ist die Kirche gehalten, sich mit jedem Menschen, darunter auch, aber nicht ausschließlich, mit den Gläubigen anderer Religionen, auf einen echten "Dialog des Heils" einzulassen. (31) Der interreligiöse Dialog ist letztlich nur einer der Aspekte dieses Heilsdialogs, der die Sendung der Kirche zur Evangelisierung in der Welt charakterisiert. Trotzdem, und das ist es vor allem, was die Theologie sich klar machen muss, bekennt die Kirche, dass der Geist Christi, der sie belebt und sie begründet als Kirche Christi, in gleicher Weise in den anderen Religionen als sozialgeschichtlichen Institutionen gegenwärtig und wirksam ist, sodass diese Religionen durch den Christen als Teilhaber an der alleinigen heilsbringenden Mittlerschaft Christi betrachtet werden können.

Die Theologie muss also zwei Dinge zugleich festhalten. Einerseits hat die Kirche eine besondere Rolle im göttlichen Plan zu spielen. Sie, und sie allein, ist "die Braut des Wortes". Sie hat also ein besonderes Band zu ihm und unter diesem Gesichtspunkt sind alle Religionen nicht gleichwertig. Andererseits jedoch spielen die anderen Religionen eine positive Rolle in der Heilsgeschichte. Auch sie bereiten die Ankunft dessen vor, was die Christen das Reich Gottes nennen. Auch sie werden bewohnt, bearbeitet und umgeformt durch den Geist Gottes. Diese zwei Behauptungen widersprechen einander nicht, rufen aber zu einer langen und anspruchsvollen Arbeit der Unterscheidung auf (nicht alles ist "wahr" und "heilig" in allen Religionen, und jede von ihnen muss nach dem Maßstab des Evangeliums geprüft werden, der übrigens mit dem selben Anspruch auf die Geschichte der Kirche selbst angewendet werden muss und sein ihm eigenes Bemühen um Reue nach sich ziehen muss) und vor allem zu einer Änderung der Blickrichtung.

Die besondere Rolle der Kirche besteht nämlich nicht in einem Vorrecht, das sich durch einen verabsolutierenden Vorherrschaftsanspruch äußert. Ihre besondere Rolle ist es, gerufen zu sein, die Schritte Jesu in der Menschheit zu begleiten, ihm in seiner Entäußerung bis zum Kreuz zu folgen, die Hoffnung seiner Auferstehung mitzuteilen, indem sie in den Kulturen und Religionen die Spuren des Reiches in den Geburtswehen erforscht. Die Kirche Jesu Christi ist die Kirche der Martyrer, nach dem Titel eines schönen Vortrags des Kardinals Etchegaray. (32) Ihre einzige Universalität ist also die des Dienstes, der Diakonie, im Namen Jesu Christi. Um die Gnade sichtbar zu machen, die ihr erwiesen worden ist, nämlich Zeugin des Evangeliums Christi zu sein, muss sie ihre Aufgabe dabei im Dienst der Menschheit im gleichzeitig paradoxen und leidenschaftlichen Geist der Seligpreisungen erfüllen.

Man sieht, all das eröffnet der theologischen Forschung weite und fesselnde Arbeitsgebiete, für die ganz genauso unfehlbare Treue zur Tradition gefragt ist wie eine furchtlose Öffnung für die Begegnung und den Dialog, wobei man außerdem weiß, dass die Herausforderung unserer Epoche nicht nur die der Begegnung der Religionen ist, sondern auch die der Säkularisierung, des Indifferentismus und des Atheismus. Eine Theologie der Religionen, die sich in der Begegnung zwischen Gläubigen einschließen würde, wäre ganz und gar keine christliche Theologie mehr, insofern es wahr ist, dass Gott dem religiösen Menschen nicht näher ist als dem säkularisierten Menschen und dass eine gemeinsame Front der Religionen zur Verteidigung der Religion gegen die Säkularisierung ein genauso risikoreiches wie gefährliches Programm ist.

Schlussfolgerung

"Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde", rief der Heilige Paulus. (33) Das ist auch heute noch die Sendung der Kirche. Und der interreligiöse Dialog ist eine Teil dieser Sendung. Das Evangelium, das verkündigt werden muss, ist nicht vor allem ein Lehrinhalt noch ein Aktionsprogramm, wie Kardinal Coffy oft bemerkt hat. Es ist das Empfangen einer großen Freude (Lk 2,10): "Heute ist euch der Retter geboren." Und wenn am Ende desselben Evangeliums Jesus den Jüngern erscheint, die in Jerusalem in Furcht versammelt sind, hält Lukas fest, dass sie "in ihrer Freude sich weigerten zu glauben und sich wunderten". (Lk 24,41) Und diese tiefe Freude, viel stärker als eine vorübergehende Begeisterung, müsste das Kennzeichen jedes christlichen Lebens sein. Das Evangelium verkünden, das heißt diese Freude und diese Hoffnung (mit)teilen, und sei es in den schlimmsten Prüfungen des Lebens. Diese Freude kommt daher, dass Gott auf sich genommen hat, selbst der Aggression und der Indifferenz der Welt ausgesetzt zu sein, und dass seine geduldige und mitleidige Liebe über den Hass, die Missachtung und den Tod triumphiert hat.

Dass Gott in seinem Sohn einen Weg zum Heil eröffnet hat, der auch ein Weg des Kreuzes und der Auferstehung ist, und dass dieser Weg jedem Mann und jeder Frau guten Willens offen ist, das ist die gute Botschaft des Heiles, das ist das Evangelium, das die Kirche zu verkünden, vorzulegen und vor allem selbst zu leben beauftragt ist. Die Begegnung mit den Gläubigen anderer Religionen ist eine der Formen, in denen die Kirche heute ihre Sendung zu leben gerufen ist.

Könnte doch diese Sendung für sie immer eine große Freude bleiben, wenn man alle denkt, die der Vater ihr anvertraut, als Brüder, für die Christus gestorben und auferstanden ist, sei es, dass sie es wissen oder nicht, sei es, dass sie ihn aufnehmen oder ihn zurückweisen. Sie weiß wohl, eine kleine Herde mit festem Nacken, dass "die Wahrheit sich nur durch die Kraft der Wahrheit durchsetzt, die den Geist mit genauso viel Sanftheit wie mit Macht durchdringt." (34) Und könnten doch unsere katholischen Schulen immer im Dienst dieser Wahrheit stehen, um den Jugendlichen, für die wir Verantwortung haben, zu helfen, Männer und Frauen des Dialogs zu werden, und um die Kraft und die Freude eines Lebens zu entdecken, das frei dem Vorbild von Gottes Engagement für das Heil der Welt folgt.


(1) Vgl. "Catholiques et musulmans: un chemin der rencontre et de dialogue", La documentation catholique, Nr. 2193, 6. Dez. 1998, S. 1031-1036.

(2) Hans Urs von BALTHASAR, L'engagement de Dieu, Paris, Desclée, 1971

(3) Hans Urs von BALTHASAR, La dramatique divine, II-1, Paris, Lethielleux, 1988, S. 10. Und an anderer Stelle : "Die Offenbarung Gottes ist nicht nur ein Objekt zum Anschauen: sie ist sein Handeln in und auf der Welt, auf das die Welt nur durch ihr Handeln antworten (und das sie nur so begreifen) kann." (Hans Urs von BALTHASAR, La dramatique divine, I, Paris, Lethielleux, 1984, S. 10)

(4) Vgl. Joseph DORE, Sur l'identité chrétienne, Paris, Desclée, « Relais-Etudes 8 », 1990, S. 171-216

(5) Gaudium et spes 22, § 5

(6) Vgl. Nostra aetate, § 2

(7) "Nein, ich habe nichts unter euch wissen wollen außer Jesus Christus, und zwar den gekreuzigten."

(8) "Und wenn Christus nicht auferstanden ist, ist euer Glaube vergeblich; ihr seid noch in euren Sünden."

(9) Hans Urs von BALTHASAR, La foi du Christ, Paris, Aubier, Editions Montaigne, 1968, S. 176-177

(10) Ich lasse das Judentum weg. Es ist für die Kirche nicht eine Religion wie die anderen. Es ist der ursprüngliche Ölbaum. Und alles, was ich gerade gesagt habe, hat seine Wurzeln im Glauben Israels.

(11) Vgl. John HICK, The Metaphor of God Incarnate

(12) Joseph DORE, « La présence du Christ dans les religions non chrétiennes », Chemins de dialogue 9 (1997), S 42

(13) Paul VI., Ecclesiam suam, § 72-73

(14) Vgl. Lumen Gentium 5

(15) Hans Urs von BALTHASAR, L'engagement de Dieu, op.cit., S. 16

(16) Zitat von Michel de Certeau

(17) Für eine Darstellung dieser Debatte verweise ich auf das Dossier "Jésus Christ, unique sauveur", in: Théophilyon II-2, 1997, S. 237-408, und besonders auf meinen Beitrag S. 321-357.

(18) Man wird mit Gewinn das Dokument zu Rate ziehen, das 1996 durch die Internationale theologische Kommission verfasst wurde, Le christianisme et les religions, Paris, Cerf/Bayard- Editions/Centurion, 1997

(19) "Das Dasein und die Aktivität des Geistes betreffen nicht nur die Einzelnen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen." (Redemptoris missio, 28). Deswegen muss auf die alte "Theologie des Heils der Ungläubigen", deren Ziel die Bedingungen für das Heil von nicht-christlichen Personen war, eine "Theologie der Religionen" nachfolgen, die sich über die Rolle der Religionen als sozialgeschichtliche Wirklichkeiten für das Heil fragt.

(20) Nostra aetate 2

(21) Über diesen Spruch und seine Anwendung im interreligiösen Zusammenhang siehe Jacques DUPUIS, Vers une théologie chrétienne du pluralisme religieux, op.cit., Kap. III, S. 131-166.

(22) Redemptor hominis 22

(23) Nostra aetate 2 (Vgl. Joh 1,9)

(24) Gaudium et spes 22, § 5

(25) Redemptoris missio 5

(26) Cgl. Joseph DORE, « La présence du Christ dans les religions non-chrétiennes », Chemins de dialogue 9 (1997), S 13-50

(27) Unter diesem Blickwinkel siehe Claude GEFFRE, « La singularité du christianisme à l'age du pluralisme religieux", in: J.DORE und Christoph THEOBALD (Hg.), Penser la foi, Mélanges offerts à Joseph Moingt, Paris, Cerf/Assa éditions, 1993, S. 351-369.

(28) Dominus Iesus § 14

(29) Lumen Gentium I,1 ; II,9 ; VII,48 ; ebenso Gaudium et spes 42, §3

(30) Vgl. Ecclesiam suam 72

(31) Dialogue et annone 38

(32) Vgl. Roger ETCHEGARAY, « Sommes-nous l'Eglise des martyrs ? » (Vortrag in Lyon und Wien, 1977), J'avance comme un ane ...... "A temps et à contretemps", Paris, Fayard, 1984, S. 181-195

(33) 1 Kor 9,16

(34) Dignitatis humanae, § 1

Pau 2001