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Haben wir den Aufruhr mit dem Erwachsenwerden überstanden?

von Dr. Christian Gostecnik
(gehalten bei der SIESC-Tagung 2000 in Ljubljana/Laibach)
(aus dem Englischen übersetzt von Mag. Wolfgang Rank)

Eines der entscheidendsten Themen beim Unterricht für Jugendliche sind die Autorität und die Verantwortung von Lehrer, Schule und Jugendlichen. Jugendliche unterrichten ist eine der am meisten herausfordernden und zur selben Zeit schwierigsten Aufgaben in der Schule - und in unserer Zeit vielleicht die am wenigsten lohnende. Mit Jugendlichen zusammensein heißt einer ständigen Prüfung unterworfen sein. Ein guter Lehrer für Jugendliche sein beinhaltet die Fähigkeit ständig aufmerksam zu sein und auf den ständigen Wechsel in Stimmung und Benehmen der Jugendlichen eingehen zu können. Stellen Sie sich einen Leuchtturm vor, der fest steht und dem beständigen Fluss der Wellen widersteht, ohne zerstört zu werden und ohne seine Richtung zu ändern oder aufzuhören, Licht zu verbreiten, was bedeuten würde, dass er seinen einzigen Zweck verfehlt. (Gostecnik 1997, 1998, 1999) So ist der Lehrer, der glaubt, Wissen und gute Arbeit seien notwendig, um Reife zu erreichen und eine feste Identität zu finden; der mit dem dringenden Bedarf konfrontiert ist, jeden, der seine/ihre Stunden besucht, mit gutem Kenntnissen auszustatten, und der zur selben Zeit mit der Verletzlichkeit und Unreife von Jugendlichen konfrontiert ist, die in Herz und Geist des Lehrers einen wirklichen Aufruhr hervorrufen. Wenn wir dem gegenübertreten wollen, müssen wir festen Halt für unsere Füße in Verantwortung und Respekt suchen. Hier genauso wie sonst überall ist die Definition von "Verantwortung" einfach: "Anzunehmen, dass das, was dir geschieht, sich aus Entscheidungen ergibt, die du triffst, gehört zum eigentlichen Kern von Verantwortung." (Popkin, 1999)

Wenn wir das furchterregende Bild der Jugend anschauen, zum Beispiel die Gewalt unter Gleichaltrigen in der Schule, Drogenmissbrauch, schwache Schulleistungen und Schulschwänzen, müssen wir uns der Tatsache bewusst sein, dass in dieses Bild Erwartungen miteingebunden sind, die über das hinausgehen, was ein Lehrer tun sollte, um ein solches Verhalten zu verhindern. Die Schule wir zu Unrecht als Verbesserungsanstalt gesehen, die für die psychologische Entwicklung und das Wohlbefinden der Jugendlichen verantwortlich ist. Ja, es ist teilweise richtig, dass Jugendliche die Hälfte ihres Lebens in der Schule verbringen und dass gute Arbeit in der Schule auf einer guten Beziehung zwischen Lehrer und Jugendlichen beruht; aber es ist nicht richtig, dass die Schule die Möglichkeit hat, das Versagen der Familie zu korrigieren, und dass ein guter Lehrer ein Gleichaltriger oder Mutter oder Vater der Jugendlichen sein soll. Hier möchte ich unsere erste Annahme oder Behauptung betonen: Ein guter Lehrer ist ein Lehrer, der die Jugendlichen mit guten Kenntnissen ausstattet und der dadurch, dass er sie damit ausstattet, Jugendliche lehrt, für seine/ihre gute Arbeit und Leistung verantwortlich zu sein. Nicht mehr und nicht weniger.

Der Lehrer ist verantwortlich für gute Kenntnisse, während Jugendliche für gute Arbeit und gute Leistung verantwortlich sind.

Diese Behauptung mag ein bisschen zu direkt klingen, aber sie ist entscheidend dafür, dass man als Lehrer von Jugendlichen überlebt, ohne die Autorität und die Rolle des Lehrers zu verletzen. Und sie ist entscheidend dafür, das Hauptziel des Unterrichtens zu erreichen, d.h. Jugendliche zu befähigen, für ihre gute Arbeit verantwortlich zu sein, und sie mit guten Kenntnissen auszustattten. Der entscheidende Punkt im Arbeiten mit den Jugendlichen ist es, innerhalb der Grenzen und Verantwortlichkeiten einer erwachsenen Person zu bleiben, die andere erwachsenwerdende Personen lehrt. Wir möchten dieses Thema dadurch erweitern, dass wir einige Hauptpunkte der familientherapeutischen Vorgangsweise bei Jugendlichen einführen, und einige praktische Konsequenzen unterstreichen, die auf die besondere Schulsituation anwendbar sind. Dazu lädt ein, dass die grundlegende Frage, die sich einem Familientherapeuten stellt, der mit Jugendlichen arbeitet, folgende ist: "Warum möchte ich mit dieser Bevölkerungsgruppe arbeiten?" Und die allgemeinste Antwort ist: "Mein eigenes Erwachsenwerden hat mich fähig und geneigt gemacht, diese Art von Arbeit zu tun."

I. Warum möchte ich mit Jugendlichen arbeiten?

Die moderne Behandlung von Jugendlichen in der Familientherapie wirft einige grundlegende Fragen über die Entscheidung auf, mit Jugendlichen zu arbeiten. Diese Fragen können unserer Meinung nach zu einem hohen Grad auf Lehrer von Jugendlichen angewendet werden. (Fishell, 1999) Diese Fragen sind folgende:

  1. Was sind Ihre lebendigsten Erfahrungen und Erinnerungen aus der Jugend? Bitte erzählen Sie einige wenige Geschichten, die diese Zeit Ihres Lebens für Sie in Erinnerung rufen!
  2. Warum wurden Sie dazu hingezogen, mit dieser Bevölkerungsgruppe zu arbeiten? War das früh in Ihrer Laufbahn, nach wenigen Jahren, nach vielen Jahren? Was schätzen Sie jetzt an der Arbeit mit dieser Bevölkerungsgruppe?
  3. Gibt es Geschichten über Ihre Jugend, an die Sie sich jetzt erinnern oder die jetzt signifikant scheinen, die aber nicht in Erscheinung traten, als Sie dieses Gebiet betraten oder als Sie in den Zwanzigern waren?
  4. Wie hat sich Ihre Arbeit mit dieser Bevölkerungsgruppe verändert, als Sie älter und erfahrener wurden?
  5. Finden Sie, dass Sie als Lehrer gegenüber Jugendlichen und/oder ihren Eltern verschieden sind im Vergleich dazu, wie Sie gegenüber anderen sind?
  6. Was ist am schwierigsten an der Arbeit mit Jugendlichen und ihren Eltern? Hat sich das mit der Zeit geändert? (Fishell, 1999)

Wenn wir diese Fragen beantworten, kommen wir zu den tiefsten Schichten unseres Verständnisses der Jugend, unseres Bildes von ihr und unseres Bildes davon, was ein guter Lehrer und eine gute Schule sein sollte. Wenn wir sie beantworten, sind wir, ohne es zu wissen, mit Emotionen konfrontiert, die unserer Entscheidung zugrunde liegen, unsere Berufslaufbahn dieser Art von Arbeit zu weihen. Genau diese Emotionen und die entsprechenden Bilder sind unsere unbewussten, stärksten und führendsten Arbeitsrichtlinien.

Wenn wir mit Jugendlichen arbeiten und mit Problemen konfrontiert werden, die unsere Möglichkeiten übersteigen, mit Versagen und Verhalten, die uns machtlos machen, statten uns diese Antworten mit der Fähigkeit aus, die angemessene Lösung zu finden oder einige Entscheidungen zu treffen, um die Ausweglosigkeit zu überwinden und das Hauptziel des Unterrichtens zu erreichen. In der heutigen Schulpraxis ist der Lehrer Tag für Tag mit verschiedenen Formen von problematischem Verhalten und ernsten Problemen konfrontiert, die durch ein mögliches Krankheitsbild, durch Kriminalität, durch Drogenmissbrauch hervorgerufen werden. Wie soll man auf diese erschreckenden Auslöser im alltäglichen Unterricht reagieren? Ein guter Lehrer sein heißt, den Aufruhr und die Herausforderungen der Jugend wahrzunehmen und dafür empfindlich zu sein. Und das ist der Moment, in dem unsere eigene Jugend in unsere Beziehungen zu Jugendlichen eintritt.

Um zwischen Lehrer und Jugendlichem zu differenzieren und in der Lehrerrolle zu bleiben, muss zuerst folgende Frage beantwortet werden: Wer hat das Problem?

II. Wer hat das Problem?

Mit anderen Worten: bevor wir eine Lösung für das Problem zu finden versuchen, müssen wir uns selbst fragen, wer die Verantwortung und die Autorität hat, die Situation zu entscheiden. Was sind die Richtlinien bei der Suche nach einer passenden Antwort auf diese Frage? Setzen wir das in ein paar zusätzliche Fragen um:

  1. Wer wird durch das problematische Verhalten direkt betroffen?
  2. Wer bringt das Thema zur Sprache und beschwert sich?
  3. Wessen Ziele werden blockiert? Damit meinen wir: Wer bekommt nicht, was er/sie will? (Popkin, 1998)

Nur wenn wir den herausfinden, der das Problem hat, können wir eine passende Lösung anbieten. Wenn ein Lehrer das Problem hat, dann ist die Frage des Fehlverhaltens eine Frage der Disziplin, was bedeutet, dass der Lehrer der einzige ist, der die Autorität hat, die Frage zu entscheiden. Wenn ein Jugendlicher das Problem hat, ist die Frage des Fehlverhaltens eine Frage der Unterstützung für ihn/sie, die Verantwortung zu übernehmen und eine Wahl zu treffen.

Zum Beispiel: Wenn ein Teenager zu wenig leistet und wir als Lehrer fest auf der Tatsache beharren, dass er/sie für gute Arbeit und gute Leistung verantwortlich ist, dann hat er/sie das Problem und braucht Unterstützung in Form klarer Information über das verlangte Leistungsniveau und entsprechende Noten, um wählen zu können, wie viel er/sie in die Arbeit investieren wird und welche Note er/sie erreichen will.

Das zweite Beispiel: Wenn ein Teenager gut arbeitet, aber ungehalten ist und sich deswegen falsch verhält, dann hat ein Lehrer das Problem, der in seinem Ziel blockiert ist, andere mit guten Kenntnissen auszustatten. Und eine Lösung ist, dass der Lehrer seine Disziplinierungsfertigkeiten anwendet, indem er den ungehaltenen Jugendlichen mit irgendeiner zusätzlichen Arbeit oder zusätzlichen Kenntnissen ausstattet, um die Stunde weiterzuführen, und so sein/ihr Ziel erreicht.

Wenn wir einmal den herausgefunden haben, der das Problem hat, und eine passende Lösung gefunden haben, fehlt uns noch immer die passende Antwort auf Fragen, die von ernsteren Problemen hervorgerufen werden, die über den Bereich des täglichen Unterrichts hinausgehen. Mit anderen Worten: Wie kann man zwischen normalem und abnormalem Verhalten von Jugendlichen unterscheiden?

III. Was ist normales und was ist abnormales Erwachsenwerden?

Es ist nützlich, einige Bezugspunkte für Erwachsenwerden und Verhalten von Jugendlichen zu kennen. Moderne Familientherapeuten, die mit Erwachsenwerden und Jugendlichen zu tun haben, sind zu dem Schluss gekommen, dass problematisches Erwachsenwerden nicht von Natur aus gegeben ist, sondern einen Aufruf an Erwachsene darstellt, Jugendliche mit Fertigkeiten und Möglichkeiten auszustatten, sodass er/sie die Verantwortung für sein/ihr eigenes Leben übernehmen kann. Es ist ebenso ein Aufruf an Lehrer wie ein Zeichen, dass ein Jugendlicher nach Unabhängigkeit strebt, aber zu wenig Information, Fertigkeiten und Möglichkeiten hat, sie zu lernen. Um das Erwachsenwerden so zu verstehen, wie es ist, müssen wir zuerst den häufigsten und am weitesten verbreiteten Mythos über das Erwachsenwerden zerstören, der sagt, dass der normale Übergang in das Erwachsensein stürmisch ist und dass Erwachsenwerden von Natur aus eine Zeit großen Aufruhrs ist. Moderne Forschungen an normalen Jugendlichen widersprechen diesem Mythos klar und von verschiedenen Gesichtspunkten aus und gehen über ihn hinaus. Um mit diesem Mythos ins Reine zu kommen, möchten wir ein neues Thema einführen, das besagt, dass Verhalten von Jugendlichen zielgerichtet ist! Das bedeutet, das sein/ihr Verhalten niemals grundlos oder nur naturgegeben oder instinktgetrieben ist, auch wenn es unannehmbar ist. Fehlverhalten ist immer ein Zeichen, dass etwas fehlt oder einen falschen Weg geht. Und wir sollten Jugendliche unterstützen und "disziplinieren" (mit dem Wort "disziplinieren" meinen wir "helfenden Unterricht geben"), ihre Ziele zu erreichen; mit anderen Worten, wir sollten einen Schlüssel finden, der es uns ermöglicht, sein/ihr Fehlverhalten zu übersetzen, in Kontakt mit ihm/ihr zu bleiben und zu besseren Wahlentscheidungen zu ermutigen. In Fällen von schwerer Störung, Drogeneinnahme, Gewalt, Schulschwänzen und psychischer Krankheit (Depression, Psychose) sind die ersten Anzeichen für einige davon eine plötzliche Verweigerung schulischer Leistung oder eine Änderung im schulischen Verhalten, da die Schule der am meisten geordnete Ort ist, den Jugendliche besuchen, und daher der anspruchsvollste. In den oben genannten Fällen muss ein Lehrer so einen Jugendlichen einer weiteren Behandlung zuleiten. In unserem Referat werden wir uns von jetzt an nur mit dem sogenannten "normalen" oder kontrollierbaren (Fehl-) Verhalten befassen.

IV. Das Verhalten von Jugendlichen ist zielgerichtet.

Die häufigste Klage von Erwachsenen, wenn sie mit Verhalten von Jugendlichen konfrontiert sind, ist: "Warum hat er/sie das getan?" Welches Ziel hat er/sie erreicht? Die Ziele des Verhaltens von Jugendlichen zu verstehen, hilft uns ihr Verhalten zu verstehen und sie mit besseren Wahlmöglichkeiten auszustatten. Wir können fünf grundlegende Ziele des Verhaltens von Jugendlichen feststellen. (Popkin, 1999)

1. Kontakt/Dazugehören

Das grundlegendste menschliche Bedürfnis ist Dazugehören. Von unserer Geburt an sind wir mit unserem Bedürfnis nach anderen konfrontiert. Wir benötigen nicht nur das Dazugehören, sondern auch das Kontakthaben, emotionell und körperlich anderen nahe zu sein. Unser erster Ort, an dem wir dazugehören, ist die Familie. Während des Erwachsenwerdens ändert sich diese Situation. Freunde und Gleichaltrige werden bedeutender als die Familie. Jugendliche wissen unbewusst, dass eine erfolgreiche Zukunft davon abhängt, das Nest zu verlassen und zu anderen Gruppen neben der Familie zu gehören. Für die meisten Jugendlichen ist das eine Gruppe von ihren Schulfreunden. Jugendliche brauchen es, zu den Gleichaltrigen im Klassenzimmer zu gehören. So könnte ein gewisse Art des Fehlverhaltens durch das Bedürfnis der Jugendlichen veranlasst sein, zu den anderen zu gehören.

2. Macht

Jugendliche möchten ihre neuen Fertigkeiten und Kräfte gebrauchen, die sie durch ihre physische Reifung erlangt haben. So können sie kritisch werden, sich sonnen in der Kraft ihrer neuen Intelligenz. Sie genießen ihre gewachsene Fähigkeit und argumentieren um des Argumentierens willen. Die Schule ist in dieser Hinsicht der herausforderndste Ort, diese neuen Fertigkeiten zu überprüfen, Erfolg zu haben, Macht zu gewinnen.

Obwohl es frustrierend ist, mit Jugendlichen zu leben, die ihre neugefundene Macht ausprobieren, sind ihre Versuche im Machtübernehmen ein wichtiger Teil des Übergangs von Abhängigkeit zu Unabhängigkeit. Und die Schule ist verpflichtet, auf dieses Ziel der Jugendlichen einzugehen, indem sie sie mit klaren Richtlinien ausstattet, die es ihnen ermöglichen, ihre Fertigkeiten und ihr intellektuelles Potenzial zu überprüfen und zu verwenden. Sie brauchen auch klare und aufrichtige Rückmeldungen, auch wenn sie sich enttäuscht fühlen.

3. Schutz

Ein Jugendlicher will sich als eigenständige Person definieren, als unabhängiges Individuum. Deswegen will er/sie seine/ihre sich entwickelnde Identität schützen. Er/Sie ist besonders verwundbar durch Grenzen, die seinem/ihrem Verhalten gesetzt werden. Er/Sie nimmt Versuche, sein/ihr Verhalten und seine/ihre Freiheit zu begrenzen, als Angriff auf sein/ihr Selbstbild wahr. Jugendliche sind nicht vom Gesetz verpflichtet, eine höhere Schule zu besuchen, daher ist es in gewisser Hinsicht seine/ihre Entscheidung, sie zu besuchen, und er/sie darf auch wählen, welche Gegenstände er/sie besuchen möchte. Wenn ein Lehrer diese Entscheidung respektiert, dadurch dass er klare Regeln und Konsequenzen für sein/ihr Verhalten festlegt, unterstützt er die Identität des/der Jugendlichen als Student/in und ermöglicht es so dem/der Jugendlichen, diesen Aspekt seiner/ihrer Identität zu schützen.

4. Sich-Zurückziehen

Sich zurückziehen ist ein anderes Kennzeichen des Verhaltens von Jugendlichen. Er/Sie braucht das Alleinsein und/oder die Möglichkeit zu grübeln. Jugendliche brauchen Zeit und Privatleben, um sich über alle Herausforderungen, die sie erleben, Klarheit zu verschaffen und um ihre neue Welt und ihren eigenen Platz in ihr zu verstehen. So ist das mit ihrem Verständnis. Er/Sie braucht es, über wissenschaftliche Problem zu grübeln, über verschiedene Themen. Er/Sie braucht es, in seinem/ihrem dringenden Bedürfnis, einen persönlichen Standpunkt zu finden, respektiert zu werden. Indem man ihm/ihr erlaubt, Gruppen- und Einzelarbeit zu verbinden und Zeit zu haben, um nach einer Lösung zu suchen, entspricht man genau diesem Ziel des Sich-Zurückziehens. Mit Frontalunterricht, strenger Führung einerseits oder vorgefertigten Lösungen andererseits verfehlen wir es beinahe vollständig, Jugendliche zu respektieren und irgendwelchen ihrer Ziele zu entsprechen.

5. Herausforderung

Das ist das stärkste Ziel der Jugend. Herausforderung bedeutet, dass die Jugendlichen den Mut haben zu zweifeln, jeden Punkt zu befragen, jede Behauptung und jedes Beispiel. Ausgehend von der Tatsache, dass in unserer Kultur das bloße Überleben nicht die Frage ist, schaffen Jugendliche ihre eigenen Herausforderungen. Jugendliche verlangen seine/ihre Tüchtigkeit und seinen/ihren Mut an einem Hindernis zu überprüfen, und Lehrer oder sogar Arbeit in der Schule und tägliche Schulroutine können als so ein Hindernis gesehen werden. Sie fordern Lehrer heraus, um zu überprüfen, wie sie sich auf ihrer Reise von Abhängigkeit zu Unabhängigkeit bewähren.

V. Positive und negative Methoden zur Erreichung der fünf Ziele

Viel vom Verhalten von Jugendlichen muss als ihr Weg verstanden werden, gewisse Ziele zu erreichen, und nicht als persönlicher Angriff auf Sie. Aber das heißt nicht, dass all ihr Verhalten annehmbar ist. Jugendliche versuchen ihre Ziele durch positive oder negative Methoden zu erreichen. Jugendliche mit hohem Selbstwertgefühl und Mut werden häufiger eine positive Methode wählen, ihre Ziele zu erreichen, während entmutigte Jugendliche mit niedrigem Selbstwertgefühl mit größerer Wahrscheinlichkeit sich leichteren, negativen Methoden zuwenden. Abhängig von ihrem Glauben über sich selbst und die Welt und ihrem Ausmaß an Mut wählen sie entweder einen guten oder einen schlechten Weg, ihre Ziele zu erreichen. Der wichtigste Schluss, der sich aus diesem Verstehen des Verhaltens von Jugendlichen ergibt, ist der, dass wir klar zwischen einem Jugendlichen als Person und seinem/ihrem Verhalten unterscheiden müssen. Wenn wir Verhalten mit Person vermengen, werden wir dem Jugendlichen nicht gerecht und reduzieren unsere Antwort auf bloße Reaktionen, wodurch wir die Kontrolle verlieren statt zu handeln und die Situation zu kontrollieren, d.h. in unserer Position als Lehrer und Führer bleiben. Ein Lehrer ist weder Elternteil noch Fußabstreifer für jugendliche Studenten.

(Popkin, 1999)
Positive MethodeZiel des JugendlichenNegative Methode
Beitragen / MitarbeitenKontakt / Dazugehörenungehöriges Aufmerksamkeit-auf-sich-Lenken
UnabhängigkeitMachtRebellion
Geltungsbewusstsein / VergebenSchutzRache
passendes VermeidenSich-Zurückziehenunpassendes Vermeiden
sichere AbenteuerHerausforderungAufregung-Suchen

Jetzt stehen wir der schwierigsten Aufgabe gegenüber, nämlich klare emotionelle Kriterien zu entwickeln, mit denen wir an Jugendliche herantreten und eine Atmosphäre von Zusammenarbeit, Mut, Verantwortung und Respekt in unseren Klassenzimmern herstellen könnten. Diese letzte und vielleicht am meisten verratende Frage, bis jetzt vermieden, braucht eine Synthese aller unseren früheren Abschnitte. Um sie zu beantworten, müssen wir Emotionen unserer eigenen Jugend in Erinnerung rufen, das Problem lokalisieren, uns mit der Verantwortung konfrontieren und die Ziele des Verhaltens der Jugendlichen verstehen (mit anderen Worten, wir müssen uns bewusst sein, dass kein Auslöser für die Jugendlichen ziellos ist). Und die Frage ist:

VI. Wie bestimmen wir das Ziel eines Jugendlichen?

Erinnern wir uns an die Atmosphäre unserer eigenen Schulerfahrung während unseres Erwachsenwerdens, erinnern wir uns dann an unseren letzten Konflikt mit einem problematischen oder rebellischen Jugendlichen! Warum hat er/sie sich so verhalten?

Es gibt zwei Richtlinien, nach denen wir uns richten könnten:

  1. Ihr eigenes Gefühl während des Konflikts.
  2. Die Reaktion des Jugendlichen, als Sie sein Fehlverhalten zu korrigieren versuchten.

Unser GefühlReaktion des Jugendlichennegative MethodeZiel des Jugendlichen
ungehaltenaufhören, bald wieder anfangenungehöriges Aufmerksamkeit-auf-sich-LenkenKontakt / Dazugehören
verärgertverstärken des Fehlverhaltens / aufgeben, um an einem anderen Tag wieder zu kämpfenRebellionMacht
verletztfortsetzen uns zu verletzen / verstärken des FehlverhaltensRacheSchutz
hilflosPassivwerden / Verweigerung der Anstrengungunpassendes VermeidenSich-Zurückziehen
ungewöhlich ängstlichmehr Risiko auf sich nehmenAufregung-SuchenHerausforderung

Was sollen wir mit diesen negativen Methoden tun? Das ist vielleicht die häufigste Frage, die von Eltern, Lehrern und Jugendtherapeuten gestellt wird. Das Erste, was wir wissen sollten, ist, dass die negative Methode nicht ein Zeichen von Bosheit des Jugendlichen ist, sondern ein Zeichen dafür, dass er/sie besser gekannt werden will, dazugehören will, seine Identität schützen will und einige grundlegende Regeln für verantwortliches und demokratisches Verhalten erlangen will. Ein Lehrer von Jugendlichen ist in dieser Hinsicht mehr als ein Lehrer, weil gute Kenntnisse an Jugendliche vermitteln mehr braucht als einen bestimmten Gegenstand zu beherrschen, nämlich das Erwachsenwerden zu beherrschen, dadurch dass man Unterstützung, Disziplin und aktive Kommunikation zur Verfügung stellt.

Das Grundziel des Unterrichtens ist es, Jugendlichen zu ermöglichen, für ihr gesellschaftliches und berufliches Leben verantwortlich zu werden. Gute Kenntnisse und die Fähigkeit, gut zu arbeiten und gute Leistungen zu erbringen, sind innerlich verwoben mit der freien Annahme seiner/ihrer Verpflichtung durch den Jugendlichen (entsprechend seinen/ihren Fähigkeiten und Interessen zu arbeiten), wobei er/sie weiß, was richtig ist und was falsch ist in der Schulsituation (Schwindeln....), und mit der Annahme der Verantwortlichkeit für die eigenen Handlungen. Wenn ein Jugendlicher die Verantwortung für Leistungen und schulische Arbeit nicht übernimmt, dann versagt er/sie vielleicht auch bei der Verantwortung für andere Bereiche seines/ihres Lebens. Um für die Auslöser empfindlich zu sein, die uns Jugendliche durch Rebellion, schlechte Leistungen und schlechte schulische Arbeit senden, müssen wir uns ständig unserer hauptsächlichen Verantwortung und der Hindernisse beim Erreichen unserer Ziele bewusst sein.

Wenn ein Lehrer verärgert ist und disziplinieren muss, sollte er/sie die alte und schlecht funktionierende Methode von Belohnung und Strafe überwinden und sollte aktive Disziplinierungsfertigkeiten verwenden, wie z.B.:

Die Hauptaspekte aktiven Disziplinierungsstils sind Teilnahme, gegenseitiger Respekt und Konzentration auf das Problem, nicht auf den Jugendlichen. Vielleicht das wichtigste Kennzeichen aktiver Disziplinierungsfertigkeiten ist es, nicht in einen Machtkampf verwickelt zu werden, dadurch dass man seinen Ärger nicht kontrolliert, und eine Blockierung der Kommunikation zu vermeiden. Das bedeutet, jede Bemerkung oder Einstellung von der Seite des Sprechers zu vermeiden, die des Hörers Selbstwertgefühl verletzt und die Kommunikation beendet. (Popkin, 1998)

VII. Zusammenfassung

Haben wir den Aufruhr mit dem Erwachsenwerden überstanden?

Arbeiten mit Jugendlichen fordert heraus, weil es tiefe und echte Emotionen weckt, mit denen wir alle in unserem eigenen Leben kämpfen. Unsere Einstellung zum Erwachsenwerden verändert sich mit der Zeit und eröffnet neue Perspektiven. Da es die anregendste und reichste Arbeit ist, ist sie auch die anspruchsvollste.

Der wirkliche Aufruhr des Erwachsenwerdens ist der Aufruhr, im Kampf um Identität und Unabhängigkeit und zur selben Zeit im dem drängenden Bedürfnis nach Dazugehören und Kontakt nicht verstanden und respektiert zu werden. Ein bisschen "Jugendlicher" ist in jedem von uns, wenn wir mit "Jugendlicher" meinen, "im Prozess sein, jemand zu werden".

Lehrer von Generationen und Generationen von Jugendlichen zu sein, verlangt besondere Fähigkeiten, mit Zielen der Jugendlichen in Verbindung zu bleiben und ständig die grundlegenden Annahmen über unsere Arbeit, unser Verständnis des Erwachsenwerdens und der kulturellen und wissenschaftlichen Mythen über das Erwachsenwerdens wieder zu überprüfen. Die Familientherapie wird heute am meisten durch das doppelte Bild der Jugend herausgefordert, das negative, das in Statistiken über Drogenmissbrauch, Sexualität und Gewalt vorkommt, und das positive und anziehende, das uns eine Geschichte über das Erwachsenwerden als eine Zeit von großer Energie, Optimismus und Gedeihen erzählt.

Jugendliche bieten impulsiv ihre Rückmeldung zu unserer Arbeit und erfordern so ständige Unterstützung und Disziplin (helfende Betreuung). Und dieser Prozess, ständig unsere Methoden umzugestalten, aber zur selben Zeit niemals den Hauptinhalt des Lehrens zu vernachlässigen, ist das Ziel und der Kern des "aktiven Lehrens" heutiger Jugendlicher.

Um zu sehen, wie das Bild der Jugendlichen in unserer Kultur ist, zitieren wir die Analyse von Filmen und Romanen über das Erwachsenwerden, die von Fishel erstellt wurde, einem Familientherapeuten, der mit jugendlichen Familien arbeitet.

In einem hohen Grad spiegeln die Botschaften von Filmen und Romanen die öffentlichen Gesundheitsdaten. Die vorherrschende Geschichte in diesen Erzählformen ist die, dass Jugendliche in der einen oder anderen Weise losgelöst von ihren Eltern aufwachsen, die sie missverstehen, zurückweisen und vernachlässigen oder einfach zu ahnungslos und inkompetent sind, zu helfen. Ihren eigenen Plänen überlassen, sind Jugendliche sowohl in Roman- als auch Filmdarstellungen manchmal bewundernswert kreativ und unverwüstlich und zu anderen Zeiten fürchterlich außer Kontrolle, wobei sie sich in eine schwindelerregende Folge von selbstzerstörerischem Verhalten stürzen, von Körperpiercing bis rücksichtsloser sexueller Aktivität, von Essstörungen bis Selbstmord. Die Sicht von Jugendlichen im Konflikt mit ihren Eltern ist eine, die sich während fünfzig Jahren Filmproduktion nicht geändert hat. Stattdessen erzählen Filme mit wenigen Ausnahmen eine vorherrschende Geschichte von Jugendlichen in heißem Konflikt mit ihren Eltern oder von Jugendlichen, welche die Erwachsenen aufgegeben haben und stattdessen ihre eigene abgetrennte Kultur der Gleichaltrigen schaffen. (Fishel, 1999) Familientherapeuten kämpfen natürlich mit diesen kulturellen Meinungen über das Erwachsenwerden. Um sich nicht entweder auf die Seite der Eltern oder der Jugendlichen zu stellen, ist es nützlich, sich an einen anderen Film zu erinnern, "Dead Poets Society", der direkt genau diese Vorstellung anspricht. Ein guter Lehrer könnte Jugendlichen nahekommen, ihre Möglichkeiten ansprechen und ihr persönliches Wachsen auslösen. Er könnte den Ort öffnen für Kreativität, Herausforderung und Verantwortung, würde aber vollkommen machtlos und blockiert bleiben, wenn er nicht mit der unsichtbaren Loyalität des Jugendlichen gegenüber seinen Eltern rechnen würde, mit dem Bedürfnis des Jugendlichen, mit seinen Eltern in Verbindung zu sein und von ihnen Anerkennung zu erhalten. Lehrer von Jugendlichen zu sein ist daher so frustrierend wie anziehend und herausfordernd. Um nicht den Mut zu verlieren und zu verzweifeln, muss ein Lehrer von Jugendlichen wissen, dass seine Arbeit unersetzlich ist, und muss Jugendlichen eine der entscheidendsten Erfahrungen anbieten und die Möglichkeit, aufrichtige Rückmeldung und klare Richtlinien in ihrer Suche nach Identität zu erhalten.


Bibliographie

  1. Gostecnik, C. u.a., 1999, Biti mladostnikom starsi (How to be parents of adolescents), Ljubljana, Brat Fran_isek.
  2. Gostecnik, C., 1999, Sre_al sem svojo dru_ino (I meet my family), Ljubljana, Brat Francisek.
  3. Fishel, A., 1999, Treating the Adolscent in Family Therapy, Northvale, Jason Aronson.
  4. Popkin, M., 1998, Active parenting of Teens, Parents' Guide, Atlanta.
  5. Popkin, M., 1998, Active Teaching, Atlanta.

Ljubljana 2000